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Arkandisziplin und Epiklese

Die Arkandisziplin als grundsätzliches Problem

Ich erinnere mich, daß irgendwann in meinem Studium, während eines Seminars, ein Kommilitone auf die altkirchliche Arkandisziplin hingewiesen hat. Ich hatte diesen Ausdruck bis dahin noch nie gehört, und der Professor wiegelte ab: Ja, Arkandisziplin, das heißt: das Geheimhalten religiöser Lehren, sei in den antiken Religionen verbreitet gewesen, auch die alte Kirche habe kurioserweise den Versuch gemacht, gewisse Lehren geheimzuhalten. Das sei aber im Zusammenhang der jetzt behandelten Frage bedeutungslos1.

Ich habe damals aus dieser Bemerkung den Schluß gezogen, daß die Arkandisziplin überhaupt bedeutungslos sei. Hier hatte es offenbar eine Zeitlang einen Einfluß der antiken Religionen auf das Christentum gegeben, der aber nur vorübergehend wirksam und ohne bleibende Konsequenzen war.

Erst viel später habe ich begriffen, daß die Arkandisziplin schon in der Bibel eine Rolle spielt und daß sie keineswegs erst später in die Kirche eingedrungen ist. Sie hat offenbar einen bestimmenden Einfluß auf die biblische und altkirchliche Überlieferung der Sakramentsriten gehabt, den man berücksichtigen muß, wenn man die kirchliche Sakramentspraxis richtig verstehen und bewerten will.

In der nachreformatorischen Kontroverstheologie ist um diesen Einfluß auf die Überlieferung der Sakramentsriten heftig gestritten worden2. Die Protestanten haben versucht, im Interesse einer konsequenten Verteidigung des „sola scriptura“ jeden Einfluß der Arkandisziplin auf die biblische und altkirchliche Überlieferung abzustreiten. Inzwischen haben sie jedoch nachgegeben. Die RGG gesteht einen Einfluß der Arkandisziplin nicht nur auf die spätere Kirche, sondern schon auf das Neue Testament zu3. Aber dieses wissenschaftliche Eingeständnis wird eher hinter vorgehaltener Hand gemacht. In der Ausbildung des Theologennachwuchses wie auch in der übrigen Theologie wird das Thema in aller Regel nicht berührt4.

Hinter dieser Nichtbeachtung dürfte ein doppeltes Motiv stehen. Einmal erschwert das Eingeständnis der biblischen und altkirchlichen Arkandisziplin die Aufstellung von Entwicklungsbehauptungen. Wenn wir beispielsweise weder in der Bibel noch in den ältesten Kirchenväterschriften etwas über die Epiklese hören, so kann man ohne Berücksichtigung der Arkandisziplin leichter behaupten, die Epiklese habe sich erst mit der Zeit als liturgischer Brauch entwickelt. Wenn man aber die Existenz biblischer und altkirchlicher Arkandisziplin eingesteht, so muß man zumindest die Möglichkeit einräumen, daß die Epiklese schon ganz von Anfang an praktiziert, aber vielleicht aus Gründen der Arkandisziplin nicht erwähnt worden ist. Daß sie also erst erwähnt wurde, als sich die Arkandisziplin allmählich etwas lockerte.

Außerdem haben evangelische Theologen offenbar Furcht, durch das Eingeständnis, daß sogar die Bibel schon eine gewisse Arkandisziplin praktiziert hat, könne die protestantische Grundüberzeugung von der Suffizienz der Heiligen Schrift berührt werden. Die Heilige Schrift bedarf in der Tat keiner Ergänzung in ihren Aussagen über die Ethik und die Soteriologie, sie ist aber - offenbar mit Absicht - unvollständig in Hinblick auf die sakramentalen und gottesdienstlichen Riten. Dies sollte die evangelische Theologie nicht aus prinzipiellen Gründen bestreiten. Sie sollte vielmehr die Fakten unvoreingenommen zur Kenntnis nehmen, die hier im folgenden kurz skizziert werden sollen.

 

Die Arkandisziplin in der alten Kirche

Wir beginnen nicht mit biblischen, sondern mit altkirchlichen Beispielen, weil sie besonders eindeutig und klar sind. In den sogenannten „Canones des Hippolyt“5 aus dem 4. Jahrhundert heißt es nach den Anordnungen für die Taufe und das Abendmahl:

Dieses aber haben wir euch in Kürze übergeben in Betreff der heiligen Taufe und des heiligen Opfers ... laß es aber nicht die Ungläubigen wissen, es sei denn, daß sie zuvor die Taufe empfangen haben.

Mit dem Ausdruck „heiliges Opfer“ ist hier offensichtlich das Abendmahl gemeint. Zu dieser Ausdrucksweise wäre viel zu sagen. In unserem Zusammenhang ist allerdings nur wichtig, daß hier verboten wird, über Taufe und Abendmahl irgendwelche Informationen an ungetaufte Heiden weiterzugeben.

Erstaunlicherweise wurde jedoch nicht nur den Heiden vieles verschwiegen. Auch die erwachsenen Taufanwärter, die eigentlich schon ausführlich unterrichtet worden waren und die an ihrem Tauftag außerhalb der Kirche getauft wurden, erfuhren gewisse Dinge erst nach ihrer Taufe innerhalb der Kirche. Das ergibt sich aus einer Predigt des Bischofs Gregor von Nazianz unmittelbar vor der Taufe:

Du hast hier (draußen gehört), was vom Geheimnis öffentlich verkündigt und was vor den Ohren der Menschen nicht geheimgehalten wird. Das übrige wirst du drinnen lernen, indem die Dreifaltigkeit es verleiht - was auch du bei dir verborgen halten wirst, da es unter Siegel gehalten wird.
(Rede auf die hl. Taufe 5)

Zu den Glaubensdingen, die den noch Ungetauften verheimlicht wurden, gehörte unter anderem das Vaterunser6, das sie erstmalig nach der Taufe in der Kirche hörten und dort zum ersten Mal mit den übrigen Christen beten durften. Auch das Glaubensbekenntnis7 wie auch die gesamte gottesdienstliche Liturgie wurde damals vor den Außenstehenden verheimlicht. So erklärt beispielsweise Johannes Chrysostomos unter Anspielung auf den Beginn der Abendmahlsliturgie:

Darum fordert dann auch der (das Sakrament) weihende (Priester) alle zum Gebet auf, und alle geben ihre Stimme und rufen laut die Worte, die nur den Eingeweihten bekannt sind; denn es ist ja nicht erlaubt, vor den Uneingeweihten alles zu enthüllen.
(18. Predigt über den 2.Korintherbrief / zu 8,24)

Einen besonders merkwürdigen, fast ein wenig absurd anmutenden Fall von Arkandisziplin finden wir bei Epiphanius von Salamis. Bei der Erwähnung des Abendmahls drückt er sich folgendermaßen aus:

Denn wir sehen, daß der Heiland „es“ in seine Hände nahm, wie im Evangelium steht, daß er beim Mahle aufstand und dieses nahm und danksagend sprach: „Dieses ist mein hier“. Und er gab es seinen Jüngern mit den Worten: „Dieses ist mein hier.“
(Der Festgeankerte 57)

Offensichtlich vermeidet es Epiphanius hier um jeden Preis, die Worte „Brot“ und „Leib“ zu erwähnen. Das Wort „Brot“ wird durch „es“ ersetzt, und das Wort „Leib“ entfällt ersatzlos.

Man kann verstehen, daß die alte Kirche sich bei den Heiden den Vorwurf zuzog, es handle sich beim christlichen Glauben um eine „Geheimreligion“. Auf diesen Vorwurf antwortet Origenes in seiner gegen Celsus gerichteten Streitschrift:

Wenn Celsus hernach unseren Glauben wiederholt eine Geheimlehre nennt, so weisen wir auch diesen Vorwurf zurück; denn fast die ganze Welt kennt die Predigt der Christen besser als die Meinungen und Einfälle der Philosophen. Oder wer hat noch nicht gehört von der Geburt Jesu aus einer Jungfrau, von seiner Kreuzigung und Auferstehung, woran so viele (Christen) glauben, und von dem kommenden Gericht, in welchem den Sündern die gebührende Strafe, den Gerechten aber der verdiente Lohn zuteil wird? Bildet nicht das Geheimnis der Auferstehung bei den Ungläubigen fortwährend den Gegenstand ihres Gespräches und ihres Spottes? Bei solcher Sachlage ist die Behauptung, unser Glaube sei eine Geheimlehre, ein ungereimtes Geschwätz.
(Contra Celsum 1,7)

Man erkennt bei Origenes sehr deutlich ein gewisses Bedauern, daß eigentlich schon allzuviel bekannt und leider auch Gegenstand des allgemeinen Spotts geworden ist. Allerdings ist angesichts der Tatsachen der Vorwurf einer allgemeinen „Geheimreligion“ im wesentlichen gegenstandslos. Nur einige wenige Lehren der christlichen Religion sind in Wirklichkeit noch geheim. Origenes rechtfertigt dies mit dem Hinweis, daß die heidnischen Philosophen sich ja zum Teil genauso verhielten, ohne daß ihnen das zum Vorwurf gemacht würde:

Wenn wir dann außer den Lehren, die allen verkündet werden, noch einige andere haben, die nicht sofort einem jeden mitgeteilt werden, so ist das keine Eigentümlichkeit des christlichen Glaubens, es findet sich dies auch bei den Philosophen ...
(Contra Celsum 1,7)

Es waren vor allem die Sakramente und die gottesdienstliche Liturgie, die durch die Geheimhaltung geschützt werden sollten. Das folgende Beispiel zeigt, daß aber auch die Privatfrömmigkeit möglichst unbemerkt vor den Heiden vollzogen werden sollte, wenn dies auch manchmal kaum möglich war. In seinem „2. Buch an seine Frau“ warnt Tertullian christliche Frauen davor, einen heidnischen Mann zu heiraten:

Wird es unbemerkt bleiben, wenn du dein Bett und dich selbst mit dem Kreuze bezeichnest? wenn du etwas Unreines wegbläsest? wenn du sogar nachts aufstehst, um zu beten ?
(2. Buch an seine Frau 5)

Mit dem „Unreinen“ meint Tertullian vermutlich den Weihrauchduft vom heidnischen Hausaltar des Mannes. Als Christin wird sie diesen Weihrauch als dämonisch betrachten und von sich fortblasen müssen. Aber wird sie das unbemerkt tun können? Andererseits: Wäre es schlimm, wenn der heidnische Mann bemerkt, wie seine Frau sich bekreuzigt? Tertullian nennt zwei Gründe: Einmal könnte der heidnische Mann seine Frau in Zeiten der Christenverfolgung erpressen oder gar anzeigen - Tertullian scheint solche Fälle gekannt zu haben - vor allem aber ist es ein grundsätzlicher Fehler,

daß Heiden unsere Übungen kennenlernen, daß wir unter der Mitwisserschaft der Ungerechten stehen ... „Werfet eure Perlen nicht vor die Schweine“, heißt es, „damit sie dieselben nicht niedertreten, sich umkehren und euch zerreißen“. Zu diesen Perlen gehören auch die schönen Übungen des täglichen Lebens. Je mehr man sich bemühen würde, sie zu verheimlichen, um so mehr würde man sie zum Gegenstande des Verdachtes und des Verlangens für die Neugierde der Heiden machen.
(2. Buch an seine Frau 5)

Wenn Origenes bedauert, daß die Heiden über die ihnen bekannten christlichen Lehren spotten, so fürchtet auch Tertullian, daß die Heiden die christlichen Geheimnisse in den Dreck treten und verunehren. Und er beruft sich dabei auf das bekannte Jesuswort aus der Bergpredigt (Mt 7,6).

Der Sinn der Arkandisziplin ist also, gewisse, besonders wichtige Geheimnisse vor Spott und Verunehrung zu schützen. Bei den Sakramenten kommt offenbar hinzu, daß die heiligen Handlungen davor geschützt werden sollten, daß nicht Unbefugte sie mißbräuchlich an sich rissen und zur Unehre Gottes gebrauchten. Das geschieht ja leider durch die heutigen Satanisten, die viele kirchlichen Riten absichtlich zur Unehre Gottes verdrehen und mißbrauchen.

Ich beschließe dieses Kapitel über die altkirchliche Arkandisziplin mit einer ausführlichen Aufzählung vieler nur mündlich überlieferter und geheimgehaltener Riten, die Basilius der Große einmal zusammengestellt hat, und in der auch, was uns hier besonders interessiert, die Abendmahlsepiklese erscheint:

Von den in der Kirche beobachteten Lehren und verkündeten Wahrheiten haben wir manche aus der schriftlich festgelegten Unterweisung, andere haben wir aus der (mündlichen) Überlieferung der Apostel empfangen: sie sind uns im Verborgenen überliefert worden. Beide haben für den Glauben die gleiche Bedeutung.

Ihnen wird niemand, der auch nur eine geringe Erfahrung mit den Satzungen der Kirche hat, widersprechen. Wenn wir nämlich versuchten, die ungeschriebenen Bräuche zu meiden, als ob sie keinen Wert hätten, möchten wir wohl unbeabsichtigt das Evangelium selbst an wichtigen Stellen schädigen, noch mehr: wir beschränkten die verkündete Wahrheit auf einen bloßen Namen.

Um an das Erste und Gebräuchlichste zu erinnern: Wer hat uns schriftlich gelehrt, daß die auf den Namen unseres Herrn Jesu Christi Hoffenden sich mit dem Bild des Kreuzes bezeichnen? Welcher Buchstabe hat uns angewiesen, uns beim Gebet nach Osten zu wenden? Die Worte der Epiklese beim Weihen des eucharistischen Brotes und des Kelches der Segnung - wer von den Heiligen hat sie uns schriftlich hinterlassen? Wir begnügen uns ja nicht mit dem, was der Apostel (im 1. Korintherbrief) oder das (schriftliche) Evangelium anführen, sondern sprechen vorher und nachher noch anderes aus der ungeschriebenen Lehre, was von großer Bedeutung für das Mysterium ist. Wir segnen auch das Wasser der Taufe und das Öl der Salbung und außerdem den Täufling selbst. Auf welche schriftlichen Zeugnisse stützen wir uns da? Lassen wir uns dabei nicht von der verschwiegenen und geheimnisvollen Überlieferung leiten? Oder welches geschriebene Wort lehrt die Salbung mit Öl? Das dreifache Untertauchen des Täuflings, woher kommt es? Und jenes andere bei der Taufe: dem Satan und seinen Engeln abzusagen, aus welcher Schrift kommt das? Etwa nicht aus dieser unveröffentlichten und unausgesprochenen Lehre, die unsere Väter in unbekümmertem und schlichtem Schweigen beobachteten, weil sie wohl wußten, daß die Ehrwürdigkeit der Geheimnisse durch Stillschweigen bewahrt bleibt?

Es war nämlich den Uneingeweihten versagt, diese Geheimnisse (auch nur) zu erblicken; wie wäre es also schicklich, die Lehren darüber schriftlich zu verbreiten? Was beabsichtigte der große Mose, als er nicht das ganze Heiligtum allen zugänglich machte? Die Uneingeweihten ließ er außerhalb des heiligen Bezirkes, die ersten Höfe wies er den Reineren zu, die Leviten allein hielt er für würdige Diener des Göttlichen ...
(De Spiritu Sancto 27)

 

Ich breche hier ab, obwohl es nicht uninteressant wäre, die ganze Erklärung nachzulesen, mit der Basilius den Nutzen der Arkandisziplin für die damalige Kirche erklärt. Uns ist hier zunächst nur wichtig, daß Basilius überhaupt auf die verborgene, mündliche apostolische Tradition hinweist, und daß er dabei auch die Abendmahlsepiklese erwähnt.

 

Arkandisziplin in der Heiligen Schrift

Wir kommen nach diesen altkirchlichen Beispielen, die sich fast beliebig vermehren ließen, zur Arkandisziplin in der Bibel. Ich zitiere zunächst aus dem RGG-Artikel zum Stichwort Arkandisziplin:

Der Hebräerbrief (6,4f) macht Angaben über die christlichen Gottesdienste, die nur der Christ versteht.
(RGG3I,607)

Sehen wir uns die hier angeführten Verse genauer an. Der Apostel Paulus schreibt:

Denn es ist unmöglich, die, so einmal erleuchtet sind und geschmeckt haben die himmlische Gabe und teilhaftig geworden sind des heiligen Geistes und geschmeckt haben das gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt und dann doch abgefallen sind, wiederum zu erneuern zur Buße ...
(Hebr 6,4-6)

Nicht nur der heutige einfache Bibelleser hat Schwierigkeiten, solche Verse zu verstehen. Auch ein damaliger Leser konnte nicht ohne weiteres wissen, daß mit den „Erleuchteten“ vermutlich getaufte Christen, daß mit dem „gütigen Wort Gottes“ die gottesdienstliche Predigt und mit den „Kräften der zukünftigen Welt“ das heilige Abendmahl gemeint war. Und was ist mit der „himmlischen Gabe“ und dem „teilhaftig geworden des heiligen Geistes“ gemeint? Die Konfirmation? Offensichtlich ist diese Bibelstelle mit Absicht verschlüsselt. Wir haben es hier mit urchristlicher Arkandisziplin zu tun.

Wer die Apostelgeschichte liest, wird sich vielleicht wundern, daß hier mehrfach von einer Taufe „auf den Namen Jesu“ die Rede ist (AG 2,38 / 8,16 / 19,5). Ist das nicht falsch? Muß ein Christ nicht „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ getauft werden? Ja, aber offensichtlich will Lukas die genaue Taufformel nicht nennen. Auch dies ist ganz sicher ein Fall von Arkandisziplin.

Übrigens ist das Verschweigen der Taufformel nicht der einzige Punkt. Das Neue Testament ist auch sonst außerordentlich schweigsam, wenn es um die Einzelheiten der Taufe geht. Vergessen wir einmal alles, was wir aus der Überlieferung oder Entscheidung der Kirche über die Taufe wissen, und versuchen wir einmal, uns „sola scriptura“, nur aus dem Neuen Testament, ein Bild über die Taufe zu machen. Wir werden uns wundern, wie viele Fragen dabei offen bleiben.

Daß die Taufe auf irgendeine Weise eine geistige Waschung mit Wasser ist, ist klar. Aber wie soll diese Waschung vollzogen werden? Soll der ganze Mensch untergetaucht werden? Genügt ein einmaliges Untertauchen, weil es ja nur eine Waschung ist? Oder soll der Täufling dreimal untertauchen, der heiligen Trinität entsprechend? Oder gilt hier das alttestamentliche Vorbild des Naeman, der siebenmal im Jordan untergetaucht ist?

Oder soll der Täufling gar nicht untertauchen? Die Taufe ist ja eine Waschung, bei der ein vollständiges Untertauchen nicht nötig ist. Soll sich der Täufling bis zu den Knien ins Wasser stellen und sich richtig waschen, wie jemand, der sich heute bei einer Zeltfahrt im Fluß wäscht; und soll dabei der taufende Pfarrer daneben stehen, die Hände segnend erhoben, und ein ganz bestimmtes vorgeschriebenes Gebet sprechen, so daß die körperliche Waschung zur geistlichen Reinigung wird?

Genügt eine Besprengung mit Wasser? Genügt es, den Kopf als Hauptsitz der Sünde mit Wasser zu besprengen?

Und wer hat eigentlich die Vollmacht zur Taufe? Nur die Amtsträger der Kirche oder jeder Christ? Können auch Frauen taufen? Verstößt eine Frau, die einen Mann tauft, gegen die biblisch geforderte Kephale-Struktur? Kann auch ein Schismatiker oder ein Häretiker oder ein Nichtchrist gültig taufen?

Auf alle diese Fragen erhalten wir aus der Bibel keine Antwort. Es sind erst die Tradition und die Praxis der Kirche, die uns einen sicheren Vollzug dieses Sakramentes ermöglichen. Warum aber schweigt die Bibel? Es handelt sich ja keineswegs um unwichtige Fragen, denn sonst wäre ja der gültige Vollzug der Taufe unwichtig - und damit wäre letztlich die Taufe selber unwichtig. Das ist aber sicher nicht die Meinung der Bibel. Dann ist nur eine andere Antwort möglich: Wir haben es hier mit einer weitgehenden biblischen Arkandisziplin zu tun.

Ähnlich liegen die Dinge beim Abendmahl. Aus 1.Kor 10,16 ergibt sich, daß zum Abendmahl ein Segen gehört, der die „Gemeinschaft des Blutes Christi“ bewirkt:

Der gesegnete Kelch, welchen wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi?
(1.Kor 10,16)

Demnach ist also zum gültigen Abendmahl ein Segen über Brot und Wein nötig. Nun ist jedoch in keinem der vier Einsetzungsberichte von einem Segen die Rede, den Jesus dem Abendmahl erteilt hätte (Mt 26,26-28 / Mk 14,22-24 / Lk 22,19+20/ 1.Kor 11,23-25). Man kann zwar das griechische Wort, das in unserer Übersetzung für „danken“ steht, notfalls auch als „segnen“ übersetzen, aber zwingend ist das nicht. Es bleibt also nach den Einsetzungsberichten offen, ob Jesus das Abendmahl gesegnet hat. Wenn wir nur diese Berichte hätten, wüßten wir nichts Gewisses über einen Segen beim Abendmahl. Die Einsetzungsberichte sind also, wie der Vergleich mit 1.Kor 10,16 zeigt, unvollständig.

Bleibt der Segen in den vier Einsetzungsberichten aus Nachlässigkeit oder Oberflächlichkeit unerwähnt? Das ist kaum anzunehmen; wir müssen vielmehr davon ausgehen, daß auch hier die Beachtung der Arkandisziplin bewirkt hat, daß ein für die gültige Konsekration wichtiges Element absichtlich verschwiegen bzw in einer mehrdeutigen Vokabel verborgen wurde.

Ich bin übrigens überzeugt, daß schon die neutestamentlichen Schriftsteller eine klare und eindeutige Trinitätslehre vertraten, die sie in ihren Schriften aber immer nur andeutungsweise bezeugt haben. Immerhin sind es erstaunlich viele Stellen, die Andeutungen in diese Richtung machen. Vgl dazu den Anhang zu diesem Aufsatz. Offenbar hat auch hier das Bemühen um Arkandisziplin auf die Bibel eingewirkt.

*

Auch im Alten Testament stoßen wir auf die Arkandisziplin. Im Gesetz des Mose gibt es eine Vorschrift über die Zubereitung des Weiheöls, mit dem der Altar, die heiligen Geräte und die Priester gesalbt werden sollen:

Und der HERR redete mit Mose und sprach: Nimm dir die beste Spezerei: die edelste Myrrhe, fünfhundert Lot, und Zimt, die Hälfte davon, zweihundertundfünfzig, und Kalmus, auch zweihundertundfünfzig Lot, und Kassia, fünfhundert nach dem Gewicht des Heiligtums, und eine Kanne Olivenöl. Und mache daraus ein heiliges Salböl nach der Kunst des Salbenbereiters.
(2.Mose 30,22-25)

Das Olivenöl soll also durch vier verschiedene Gewürzzutaten veredelt werden. Das Gewicht von drei Zutaten wird genau nach einer damals allgemein bekannten Gewichtseinheit in „Lot“ (= ca. 12 g) angegeben. Die Menge der vierten Zutat wird hier jedoch verheimlicht. Von der Kassia heißt es nur: fünfhundert Gewichtseinheiten nach dem Spezialgewicht des Tempels. Der Zweck der Geheimhaltung wird einige Verse später angedeutet:

Eine heilige Salbe soll mir dies Öl bei euren Nachkommen sein. Auf keines andern Menschen Leib soll es gegossen werden; du sollst es auch sonst in der gleichen Mischung nicht herstellen, denn es ist heilig; darum soll es euch als heilig gelten. Wer solche Salbe macht oder einem Unberufenen davon gibt, der soll aus seinem Volk ausgerottet werden.
(2.Mose 30,31-33)

Das Weiheöl soll auf keinen Fall in die Hände Unberufener gelangen, damit durch seine Heiligkeit nicht etwa Götzenaltäre oder unbefugte Priester geweiht werden. Schon die Weitergabe dieses Öls wird mit Todesstrafe bedroht, und offensichtlich ist als weitere Sicherung gegen unbefugten Gebrauch auch die Geheimhaltung des genauen Rezeptes angeordnet. Hier dient die Arkandisziplin ganz eindeutig dem Schutz der von Gott angeordneten Weihen und Riten vor dem Mißbrauch durch Unbefugte.

Sehr ähnlich liegen die Dinge auch bei den alttestamentlichen Opfervorschriften. Im Gesetz des Mose gibt es ja eine Reihe sehr detaillierter Vorschriften zum Opferkult, in denen viele Einzelheiten mit erstaunlicher Genauigkeit geregelt werden. So heißt es beispielsweise in einem langen Kapitel über den Transport der Geräte der Stiftshütte:

Wenn das Heer aufbricht, so sollen Aaron und seine Söhne (in die Stiftshütte) hineingehen und den inneren Vorhang abnehmen und die Lade mit dem Gesetz damit umhüllen und darauf eine Decke von Dachsfellen legen und oben darauf eine ganz blaue Decke breiten und ihre Stangen durchstecken und über den Schaubrottisch auch eine blaue Decke breiten und darauf legen die Schüsseln und Löffel, die Schalen und Kannen des Trankopfers, und das Schaubrot soll darauf liegen ...
(4.Mose 4,5-7)

Auf diese Weise wird nicht nur geregelt, was mit den Schüsseln, Löffeln, Schalen und Kannen geschehen soll, sondern auch, wie der „Leuchter und seine Lampen mit seinen Lichtscheren und Pfannen und allen Ölgefäßen“ eingepackt werden sollen. Es wird geregelt, wer das alles einpacken soll und wer das nicht darf und wer das alles dann beim Marsch durch die Wüste zu tragen hat.

Gegenüber dieser detaillierten Genauigkeit fällt jedoch auf, daß im ganzen Gesetz des Mose nicht ein einziges Gebet aufgezeichnet steht, das beim Opfer oder sonst im Gottesdienst gesprochen werden soll. Sind für Gott, der ja dem Mose die Vorschriften des alten Gesetzes gegeben hat, die Äußerlichkeiten des Transports der Geräte wichtiger als der Wortlaut der Gebete? Das ist kaum anzunehmen. Wir werden vielmehr davon auszugehen haben, daß Gott auch die Gebete des alttestamentlichen Opferkultes befohlen und in ihrem genauen Wortlaut festgelegt hat; daß er aber wollte, daß die heilige Liturgie nur mündlich in geheimer priesterlicher Familientradition überliefert wurde, damit kein Mißbrauch mit ihr getrieben werden konnte. So war es ja bei strikter Geheimhaltung der rechten, Gott wohlgefälligen Gebete nicht möglich, diese auch zum Kult des Baal oder anderer Götzen zu verwenden, indem einfach ein anderer Gottesname in die heiligen Gebete eingetragen wurde. Wenn also weder im Gesetz des Mose noch an anderer Stelle des Alten Testaments irgendeines der Gebete zu finden ist, das der Priester des alten Bundes beim Opfergottesdienst zu sprechen hatte, so haben wir es hier zweifellos mit einer ganz bewußten alttestamentlichen Arkandisziplin zu tun.

 

Zusammenfassung: Biblische und altkirchliche Arkandisziplin

Die alte Kirche hat ganz klar und eindeutig Arkandisziplin geübt8, aber auch im Alten und Neuen Testament stößt man, wenn man das Problem erkannt hat und die Texte verständnisvoll liest, auf offenkundige Arkandisziplin. Der Sinn der Arkandisziplin besteht darin, heilige Glaubensgüter vor heidnischem Spott und ungläubiger Verlästerung zu bewahren. Bei kultischen Handlungen geht es außerdem darum, sie vor mißbräuchlicher Nachahmung durch Unberufene zu schützen.

Wenn man den Einfluß der Arkandisziplin auf die Bibel berücksichtigt, wird man das Schweigen der Heiligen Schrift zu vielen kultischen Fragen also nicht als Desinteresse, sondern im Gegenteil als Zeichen besonderer Wertschätzung des Kultischen und der sakralen Riten zu deuten haben.

Durch das allmähliche Nachlassen der Arkandisziplin in der alten Kirche bekommen wir im Laufe der Zeit jedoch immer genauere Nachrichten, die - bei aller gebotenen Vorsicht - hilfreich zur Interpretation der Heiligen Schrift sind. So erfahren wir beispielsweise durch die relativ späten altkirchlichen Nachrichten, daß der Taufbefehl am Ende des Matthäusevangeliums auch gleichzeitig die zur Gültigkeit notwendige Taufformel überliefert.

 

Altkirchliche Aussagen zur Epiklese

Wir kommen jetzt zur Epiklese9. Dieses Gebet, das die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Abendmahlselemente erbittet, scheint ursprünglich ein wichtiger Bestandteil in allen alten Abendmahlsliturgien gewesen zu sein. In der östlichen Theologie ist das bis heute so geblieben, in der westlichen Theologie hat dagegen das Verständnis für dieses wichtige Gebet mit der Zeit nachgelassen. Während nach der westlichen Theologie die Wandlung von Brot und Wein allein durch das Wort Gottes, das heißt: durch die Wiederholung der von Jesus gesprochenen Einsetzungsworte, vollzogen wird, erklärt die ostkirchliche Theologie, daß die Abendmahlselemente durch die Epiklese gewandelt werden10. Welche von beiden Auffassungen ist richtig? Gibt es hierzu Aussagen der Bibel?

Wir beginnen zunächst bei den ältesten Aussagen der alten Kirche, die sich allerdings zu widersprechen scheinen. So beschreibt Justin der Märtyrer die urchristliche Abendmahlsfeier mit den folgenden Worten:

Brot, Wein und Wasser (werden) herbeigeholt, der Vorsteher spricht Gebete und Danksagungen mit aller Kraft, und das Volk stimmt ein, indem es das Amen sagt. Darauf findet die Ausspendung statt, jeder erhält seinen Anteil von dem Konsekrierten ...
(1.Apol 67)

Wenn hier von „Gebeten“ und „Kraft“ die Rede ist, wird man das wohl in unserer theologischen Ausdrucksweise mit „vollmächtiger Epiklese“ wiedergeben dürfen, durch die die Konsekration zustande kommt. In diese Richtung weist auch eine Aussage Justins an anderer Stelle, wenn er von einer „durch ein Gebet um den Logos, der von ihm (= Gott) ausgeht, unter Danksagung geweihten Nahrung“ spricht (1.Apol 66).

Ungefähr 20 Jahre später begründet Irenäus die Wandlung allerdings mit dem Wort Gottes. Irenäus erklärt, daß

der gemischte Kelch und das zubereitete Brot das Wort Gottes aufnimmt und die Eucharistie zum Leibe Christi wird ...
(Adv haer V,2,3)11

Origenes und andere begründen die Wandlung wieder mit dem Gebet:

(Wir), die wir dem Schöpfer des Weltalls Dank sagen, essen die mit Danksagung und Gebet über die Gaben dargereichten Brote, welche durch das Gebet ein gewisser heiliger Leib werden, der jene heiligt, die ihn mit verständigem Sinne genießen.
(Gegen Celsus VIII,33)

Oder Cyrill von Jerusalem schreibt:

Nachdem wir uns durch diese geistlichen Lobgesänge geheiligt haben, rufen wir die Barmherzigkeit Gottes an, daß er den Heiligen Geist auf die Opfergaben herabsende, um das Brot zum Leib Christi, den Wein zum Blut Christi zu machen. Denn was der Heilige Geist berührt, ist völlig geheiligt und verwandelt.
(Myst. Kat. V,7)

Die alte Kirche äußert sich also, wie es scheint, widersprüchlich. Die verschiedenen Widersprüche lassen sich jedoch leicht auflösen, wenn wir von einer doppelten Wandlungsursache ausgehen. So benennt beispielsweise Ambrosius sowohl das Wort Gottes als auch die Epiklese als Wandlungsursache - wenn er das auch jeweils in verschiedenen Büchern tut. So erklärt er einmal in seiner Schrift „Über den Glauben“:

So oft wir die sakramentalen Gaben empfangen, die durch das Geheimnis des heiligen Gebets in das Fleisch und in das Blut verwandelt werden, verkündigen wir den Tod des Herrn.
(Über den Glauben IV,10,124)

Hier ist also von der Konsekration durch die Epiklese die Rede. In seiner Schrift „Über die Mysterien“ bezeugt er dagegen die Konsekration durch die Wiederholung der Worte Jesu. Nachdem er zunächst zum Vergleich auf einige alttestamentliche Wunder verwiesen hat, fährt er fort:

Wenn nun schon ein menschlicher Segensspruch soviel vermochte, daß er eine Natur verwandelte: was sollen wir erst von der göttlichen Konsekration sagen, wo die Worte des Herrn und Heilandes selbst wirksam sind? Denn dieses Sakrament, das du empfängst, wird durch Christi Wort vollzogen.
(Über die Mysterien IX,52)

Ganz genauso verhält es sich auch bei Johannes Chrysostomos, der in einer seiner Predigten von der Epiklese als Wandlungsursache ausgeht:

Wenn der Priester vor dem Altare steht, die Hände zum Himmel erhoben, und den Heiligen Geist ruft, daß er komme und die daliegenden Gaben berühre, dann herrscht große Ruhe und tiefes Schweigen.
(Hom. de coemeterio et de cruce)12

In einer anderen Predigt gibt Chrysostomos jedoch zu erkennen, daß er auch um die andere Wandlungsursache sehr wohl weiß:

(Christi) Stelle einnehmend steht der Priester da und trägt ein Gebet vor. Die Gnade und die Macht aber ist diejenige Gottes, welche alles wirkt. Das ist mein Leib, sagt er. Dieses Wort verwandelt die vor uns liegenden Gaben.
(Hom. 2 de proditione Iudae)13

Es ist hier zwar auch von einem Gebet die Rede, aber es bleibt unklar, welche Bedeutung es in diesem Zusammenhang hat. Ausdrücklich wird die Wandlung ja nur dem Worte Gottes zugeschrieben.

Wenn wir nun fragen, warum sich sowohl Ambrosius als auch Chrysostomos so verhalten, daß sie sich in verschiedenen Schriften unterschiedlich äußern, so gibt uns die Arkandisziplin eine gute Erklärungsmöglichkeit. Offenbar wollten sich beide Autoren zur Konsekration äußern. Sie waren aber durch die Arkandisziplin gehindert, dies in aller Vollkommenheit zu tun. Daher geben sie von den beiden Wandlungsursachen immer nur eine an, wobei sich ihre jeweils verschiedenen Schriften, wenn man sie kennt, gegenseitig ergänzen. Das heißt also: Die beiden altkirchlichen Bischöfe gehen von einer doppelten Wandlungsursache aus. Nicht das Wort Gottes oder die Epiklese allein wandeln, sondern beide zusammen.

Mit dieser Erklärung sind auch die Aussagen von Justin, Irenäus, Origenes und Cyrill zu vereinbaren. Wenn sie lediglich das Wort Gottes oder die Epiklese erwähnen, so haben sie sich offenbar aus Gründen der Arkandisziplin absichtlich unvollkommen geäußert.

Daß diese Erklärung richtig ist, beweisen zwei spätere Aussagen der alten Kirche. So schreibt beispielsweise Gregor von Nyssa, daß „Wort“ und „Gebet“ gemeinsam wandeln. Er beruft sich dabei auf ein Pauluswort:

... so wird jetzt in gleicher Weise das Brot geheiligt; wie der Apostel sagt, durch das Wort Gottes und durch Gebet ... so daß es sofort durch das Wort in den Leib verwandelt wird, gemäß dessen, daß das Wort Gottes (= Jesus) selbst erklärte: „Dies ist mein Leib.“
(Große Katechese 37,3)

Gregor setzt zwar in seiner Erklärung den Akzent auf die Wandlung durch das Wort, das darf uns jedoch nicht hindern, seinen deutlichen Hinweis auf die doppelte Konsekration „durch das Wort Gottes und durch Gebet“ zur Kenntnis zu nehmen. Kann sich Gregor hierbei zu Recht auf 1.Tim 4,5 berufen? Zunächst werden wir vielleicht überrascht sein. Paulus redet an dieser Stelle ja eigentlich davon, daß man jede profane Speise essen dürfe, wenn man sie mit Dank gegen Gott empfängt:

Der Geist aber sagt deutlich, daß in den letzten Zeiten werden etliche von dem Glauben abfallen ... Sie gebieten, nicht ehelich zu werden und zu meiden die Speisen, die Gott dazu geschaffen hat, daß sie mit Danksagung empfangen werden von den Gläubigen und denen, die die Wahrheit erkennen.
(1.Tim 4,1+3)

Die anschließende Begründung des Apostels ist allerdings erstaunlich:

Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.
(1.Tim 4,4+5)

Das griechische Wort, das in unserer Lutherbibel mit „geheiligt“ übersetzt wird, kommt aus dem kultischen Bereich14; das „Wörterbuch zum Neuen Testament“ gibt seine Grundbedeutung mit „heilig machen, weihen“ an15. Man kann diese Stelle also auch so übersetzen:

Alles, was Gott geschaffen hat ... wird geweiht durch das Wort Gottes und Gebet.

Ganz offensichtlich beantwortet der Apostel Paulus die Frage, ob es in der Kirche noch in gleicher Weise wie im Alten Testament reine und unreine Speise gebe, mit dem Hinweis auf einen vermutlich allgemein anerkannten Grundsatz urchristlicher Weihetheologie: Geheiligte Speise entsteht durch Wort Gottes und Gebet16. Dieser Grundsatz, so ist das Pauluswort wohl zu verstehen, galt in der ältesten Kirche gleichermaßen für die einfach gesegnete Nahrung des täglichen Lebens, wie auch für die hochheilig gesegneten eucharistischen Gaben. Demnach kann sich Gregor von Nyssa zu Recht auf 1.Tim 4,5 berufen, wenn er die Wandlung beim Abendmahl auf zweifache Weise durch „Wort und Gebet“ begründet. Wir sollten übrigens die Reihenfolge beachten, denn dies ist ja auch in den alten Liturgien meistens die Reihenfolge: Erst die Einsetzungsworte und danach die Epiklese. Wir kommen auf diese Eigenart der meisten alten Liturgien gleich noch zurück.

Daß die alten Kirchenväter mehr oder weniger deutlich von einer zweifachen Wandlungsursache ausgehen, mag uns vielleicht sehr überraschen. Darum sei es erlaubt, abschließend noch ein längeres Stück von Johannes Damaszenus anzuführen, der die Doppelkonsekration durch „Wort und Gebet“ in besonders eindrücklicher Weise zum Ausdruck bringt. Zwar ist Johannes Damaszenus ein relativ später Theologe, er wird aber allgemein noch als altkirchlich anerkannt, da es seine erklärte Absicht war, nicht eigene Theologie, sondern nur die kirchliche Tradition zu vermitteln. Er stellt im folgenden die Konsekration durch das Wort Gottes und die Epiklese kommentarlos nebeneinander:

Er sprach am Anfang: „Es bringe die Erde zartes Grün hervor“, und bis jetzt bringt sie, durchs göttliche Gebot gedrängt und befähigt, ihre Gewächse hervor. Es sprach Gott: „Das ist mein Leib“, und: „Das ist mein Blut“, und: „Das tuet zu meinem Andenken. „Und durch sein allmächtiges Gebot geschieht es, bis er kommt. Denn so heißt es: „Bis er kommt.“ / Und es kommt durch die Anrufung (Epiklese) als Regen auf dies neue Ackerfeld die überschattende Kraft des Hl. Geistes. Denn wie Gott alles, was er gemacht hat, durch die Wirksamkeit des Hl. Geistes gemacht hat, so schafft auch jetzt die Wirksamkeit des Hl. Geistes das Übernatürliche, das nur der Glaube fassen kann ... Und jetzt fragst du, wie das Brot Leib Christi und der Wein und das Wasser Blut Christi wird. Auch ich sage dir: Der Hl. Geist kommt hinzu und wirkt das, was Begreifen und Denken übersteigt.
(Darlegung des orthodoxen Glaubens IV,13)

 

Epiklese und Einsetzungsworte als doppelte Wandlungsursache

Aus den verschiedenen Kirchenväteräußerungen kann man nur einen Schluß ziehen: Die Konsekration ist mit einer Tür zu vergleichen, die durch zwei Schlösser gesichert ist. Welches Schloß man zuerst aufschließt, ist gleichgültig. In fast allen Abendmahlsliturgien der Ostkirche werden zunächst die Einsetzungsworte über Brot und Wein gesprochen und sodann die Epiklese gebetet. Sie ist der zweite Schlüssel, durch den sich die Tür endgültig öffnet. Darum kann sich die Orthodoxie vom Standpunkt ihrer Liturgien mit Recht darauf berufen, daß die Wandlung durch die Epiklese vollzogen wird - oder wie man vielleicht besser sagen müßte:  vollendet wird.

In der Westkirche, wie übrigens auch im alten Alexandrien17, ist die Reihenfolge anders. Dort wird zunächst die Epiklese gebetet und dann erst werden die Einsetzungsworte gesprochen. Hier müßte man sagen: Das Wort Gottes vollendet die Wandlung. Leider hat die Westkirche im Laufe der Zeit nicht mehr verstanden, wie wichtig die Epiklese ist. Sie ist allmählich nur noch als feierliches, aber nicht mehr notwendiges Vorbereitungsgebet angesehen worden.

In Luthers „Deutscher Messe“ fehlt überhaupt jedes Gebet vor den Einsetzungsworten. Das hat sich allerdings nicht durchgesetzt. Vielleicht war es nur ein dunkles Gefühl, daß es doch nicht ganz der Ehre Gottes dienen kann, wenn man bei der Konsekration ohne jedes vorbereitende Gebet mit der Tür ins Haus fällt. Jedenfalls hat Bugenhagen die bis heute gültige, einfache Form der Lutherischen Messe geschaffen, bei der immerhin ein Vaterunser die Konsekration vorbereitet18. Wenn man das Vaterunser tatsächlich als Epiklese betet und dabei zum Zeichen der Eindeutigkeit die Hände segnend über Brot und Wein hält, ist eine solche Form der Konsekration vielleicht sogar möglich. Man müßte das Vaterunser dann mit der folgenden Intention beten:

Dein Reich komme, indem jetzt Dein Heiliger Geist vom Himmel herabkommt und die Segnung von Brot und Wein bei den nun zu sprechenden Einsetzungsworten vollzieht.

Dein Wille geschehe, indem der Wille Jesu Christi geschieht; denn nach seinem Willen und Befehl sprechen wir jetzt die Einsetzungsworte über Brot und Wein. Dein Wille ist es, daß dies segnend geschieht; darum sende jetzt Deinen Heiligen Geist, damit der Segen vollmächtig vollzogen werden kann.

Aber welcher lutherische Pfarrer hat tatsächlich die Intention einer Epiklese, wenn er das Vaterunser vor den Einsetzungsworten spricht? Welches Gemeindeglied und selbst welcher Theologe versteht, was hier vollzogen werden soll - wenn denn diese Intention überhaupt vorhanden ist?

Es wäre also besser, wenn auch die evangelische Kirche eine eindeutige Epiklese beten würde - also: ein eindeutiges Gebet mit der Bitte um die Herabkunft des Heiligen Geistes auf Brot und Wein zum Zweck der Wandlung.

Wenn ich hier von einem eindeutigen Gebet mit der Bitte um die Herabkunft des Heiligen Geistes auf Brot und Wein zum Zweck der Wandlung spreche, so gilt mein Bedauern den verschiedenen Versuchen einer Pseudoepiklese, bei denen zwar um die Herabkunft des Heiligen Geistes gebetet wird - aber nicht auf Brot und Wein, sondern auf die Gemeinde. Das war schon in der Lutherischen Agende Form B der Fall - aber auch im neuen Evangelischen Gottesdienstbuch gibt es eine Reihe socher Pseudoepiklesen. Zwar sind Gebete um den Beistand des Heiligen Geistes immer wichtig und nötig, aber unmittelbar vor den Einsetzungsworten haben sie die Funktion eines falschen Ersatzes.

 *

Aus alledem ergibt sich nun aber eine drängende Frage. Wenn man den Einfluß der Arkandisziplin auf das Neue Testament berücksichtigt und die übereinstimmende Praxis der gesamten alten Kirche bedenkt, wo es - so weit wir das heute trotz der damaligen Arkandisziplin verfolgen können - immer im Zusammenhang mit den Einsetzungsworten eine Epiklese gab, und wenn man 1.Tim 4,5 tatsächlich als Konsekrationsregel versteht, nach der auch die Abendmahlselemente nur durch „Wort und Gebet“ geheiligt werden, so ist zu fragen, ob nicht möglicherweise eine Konsekration ohne Epiklese ungültig ist. Die Antwort darauf kann nur heißen: Eine Epiklese ist bei der Feier des heiligen Abendmahls zumindest aus Vorsichtsgründen unabdingbar!

 

Das Gebet im Namen Jesu Christi

Nun ist es allerdings unbefriedigend, wenn man nur aus 1.Tim 4,5 - also nur aus einem einzigen Bibelvers - und aus verschiedenen Kirchenväteräußerungen den weitgehenden Schluß zieht, daß das Abendmahl ohne Epiklese möglicherweise ungültig ist. Wir wollen uns daher noch ein wenig umsehen, ob es nicht doch noch einen zusätzlichen Hinweis in der Bibel auf die Epiklese gibt. Ich glaube, einen solchen Hinweis gefunden zu haben. Es handelt sich um das Gebet „im Namen Jesu“. Es sind allerdings eine Reihe von Vorüberlegungen nötig, wenn wir die entsprechenden Bibelstellen verstehen wollen.

Schon das Wort „Name“ hat in der Bibel ein so weites Bedeutungsfeld, daß es uns schwerfällt, manche Bibelstellen unmittelbar zu verstehen. Zunächst ist damit wie im Deutschen einfach die namentliche Bezeichnung einer Person gemeint:

Da kam einer von den Obersten der Synagoge, mit Namen Jairus.
(Mk 5,22)

Der „Name“ kann aber auch für den Ruf eines Menschen stehen:

dem Engel der Gemeinde zu Sardes schreibe: ... Du hast den Namen, daß du lebest, und bist tot.
(Offb 3,1)

Erstaunlicherweise kann „Name“ auch ein Wechselbegriff für „Person“ sein. So heißt es in der Apostelgeschichte, wenn man diese Stelle wörtlich übersetzt:

... es war aber versammelt eine Menge von Namen von ungefähr hundertzwanzig ...
(AG 1,15)

Sinngemäß muß es natürlich heißen:

... es war aber versammelt eine Schar von ungefähr hundertzwanzig Personen ...

Genauso heißt es in der Offenbarung:

... und wurden getötet in dem Erdbeben siebentausend Namen von Menschen ...
(Offb 11,13 / vgl 3,5)

Gemeint sind natürlich „Personen“.

Dies mag genügen als ein kurzer Hinweis auf das weite Bedeutungsfeld des biblischen Namensbegriffes. Dementsprechend kann auch die Formel „im Namen“ irgend eines Menschen, oder „im Namen“ Gottes oder Jesu Christi Unterschiedliches bedeuten.

Wenn David es wagt, gegen Goliath zu kämpfen „im Namen des HERRN Zebaoth“ (1.Sam 17,45), so ist damit wohl ein allgemeines Vertrauen auf die Hilfe Gottes zum Ausdruck gebracht.

Wenn Jesus jedoch nach dem Lukasevangelium seinen Jüngern Verfolgungen ankündigt „um meines Namens willen“ (Lk 21,12), so bedeutet das einfach „um meinetwillen“, wie die Markusparallele es bezeugt (Mk 13,9). Man könnte vielleicht auch sagen: Auch in Lk 21,12 steht der „Name“ für die „Person“ Jesu.

Wenn andererseits Paulus die Christen auffordert:

... redet untereinander in Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singet und spielet dem Herrn in euren Herzen und saget Dank allezeit für alles Gott, dem Vater, in dem Namen unsres Herrn Jesu Christi ...
(Eph 5,19+20)

so steht der Name Jesu hier wohl für das Heilswerk Jesu Christi: Seid dankbar auf Grund des Heilswerkes unseres Heilandes.

In ähnlicher Weise dürfte auch der Philipperhymnus zu verstehen sein:

... daß in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind ...
(Phil 2,10)

Auch hier stehen die Worte „in dem Namen“ vermutlich als Abkürzung für das ganze Heilswerk Jesu Christi mit Einschluß der Geistesgabe, die allen gläubigen Christen eine immerwährende Motivation zum ewigen Lobpreis schenkt, sogar den Toten, die auf die Auferstehung warten.

Nun wollen wir hier nicht alle Stellen untersuchen, die davon reden, daß irgend etwas „in dem Namen“ Gottes oder Jesu Christi oder irgend einer Person geschieht, sondern uns einigen Stellen zuwenden, in denen diese Worte in einer ganz bestimmten Bedeutung vorkommen. Es handelt sich um die Bedeutung: „im Auftrag“ einer Person oder „im amtlichen Auftrag“ eines Königs oder Gottes.

Als Nabal bei der Schafschur war, schickte David einige seiner Leute, die von Nabal eine Abgabe einfordern sollten:

Als nun David in der Wüste hörte, daß Nabal seine Schafe schor, sandte er zehn seiner Leute aus und sprach zu ihnen: Geht hinauf nach Karmel, und wenn ihr zu Nabal kommt, so grüßt ihn freundlich in meinem Namen und sprecht ...
(1.Sam 25,4-6)

Je nachdem, ob man David zu diesem Zeitpunkt nur als Privatperson ansehen will oder schon als König - er war ja schon von Samuel zum zukünftigen König gesalbt - handelt es sich hier um einen privaten oder um einen amtlichen Auftrag, den die Leute „im Namen“ Davids auszuführen hatten. Der gleiche Sprachgebrauch begegnet uns dann wenige Verse später noch einmal:

Und als die Leute Davids hingekommen waren und in Davids Namen alle diese Worte mit Nabal geredet hatten und ruhig warteten, antwortete Nabal ...
(1.Sam 25,9+10)

Von einem eindeutig amtlichen Auftrag „im Namen des Königs“ ist dann im Buch Esther die Rede:

Da rief man die Schreiber des Königs ... und es wurde geschrieben, wie Haman befahl, an die Fürsten des Königs und an die Statthalter hin und her in den Ländern und an die Obersten eines jeden Volks ... im Namen des Königs Ahasveros und mit des Königs Ring gesiegelt.
(Esth 3,12 / vgl 8,8+10)

In ähnlicher Weise reden auch die Propheten „im Namen Gottes“, das heißt in seinem amtlichen Auftrag. So verheißt Gott dem Mose mit folgenden Worten den zukünftigen messianischen Nachfolger, der aus dem Volk Israel kommen soll:

Ich will ihnen einen Propheten, wie du bist, erwecken aus ihren Brüdern und meine Worte in seinen Mund geben ... Doch wer meine Worte nicht hören wird, die er in meinem Namen redet, von dem will ich´s fordern.
(5.Mose 18,18+19)

Leider werden, wie Gott es durch Mose ankündigt, auch falsche Propheten auftreten, die sich zu Unrecht auf einen göttlichen Auftrag berufen oder sogar „in dem Namen anderer Götter“ weissagen werden:

Doch wenn ein Prophet so vermessen ist, daß er redet in meinem Namen, was ich ihm nicht geboten habe, und wenn einer redet im Namen anderer Götter, dieser Prophet soll sterben.
(5.Mose 18,20)

Wenn es sich hier auch um Mißbräuche handelt, so ist doch der Sprachgebrauch gleich: Die Formel „im Namen“ bedeutet hier im amtlichen Auftrag Gottes oder der Götter.

Besonders deutlich wird der amtliche Auftrag unterstrichen, wenn im Alten Testament vom priesterlichen Segen „im Namen des HERRN“ die Rede ist. Das hebräische Wort für „segnen“ kann ja sehr Unterschiedliches bedeuten: „grüßen“, „Glück wünschen“, „Segen wünschen“, „loben“, „fluchen“ oder auch „vollmächtig segnen“. Wenn es sich eindeutig um diese letzte Bedeutung handelt, fügt das Alte Testament gern ein „im Namen des HERRN“ hinzu:

Zur selben Zeit sonderte der HERR den Stamm Levi aus, die Lade des Bundes des HERRN zu tragen und zu stehen vor dem HERRN, ihm zu dienen und in seinem Namen zu segnen bis auf diesen Tag.
(5.Mose 10,8)

Und die Priester, die Leviten, sollen herzutreten, denn der HERR, dein Gott, hat sie erwählt, daß sie ihm dienen und in seinem Namen segnen...
(5.Mose 21,5)

Aaron aber wurde ausgesondert, daß er heilige das Hochheilige, er und seine Söhne für alle Zeiten, zu opfern vor dem Herrn und ihm zu dienen und zu segnen im Namen des Herrn für alle Zeiten.
(1.Chron 23,13)

Nach dem Alten Testament durfte ja auch David priesterlich amtieren, obwohl er nicht aus dem Stamm Levi kam. Daher heißt es auch von ihm:

Und als David die Brandopfer und Dankopfer beendet hatte, segnete er das Volk in dem Namen des HERRN Zebaoth ...
(2.Sam 6,18)

Im Neuen Testament findet sich der gleiche Sprachgebrauch. Auch hier bedeuten die Worte „im Namen von“ vielfach „im Auftrag von“. So vollziehen die von Jesus mit großer Vollmacht ausgestatteten siebzig Jünger den Exorzismus in seinem Namen:

Die Siebzig aber kamen wieder mit Freuden und sprachen: Herr, es sind uns auch die bösen Geister untertan in deinem Namen.
(Lk 10,17)

Das gleiche wird von Paulus berichtet. Er vollzieht den Exorzismus an der wahrsagenden Magd in Philippi mit den Worten:

Ich gebiete dir in dem Namen Jesu Christi, daß du von ihr ausfahrest.
(AG 16,18)

Weil die zwölf Apostel den Exorzismus „im Namen Jesu Christi“ als eine amtliche Form verstehen, die man eigentlich nicht ohne eine formelle Beauftragung durch Jesus vollziehen darf, nehmen sie Anstoß daran, wenn sich ein Unberufener dieser Formel bedient. Sie sagen zu Jesus:

Meister, wir sahen einen, der trieb böse Geister in deinem Namen aus, aber er folgt uns nicht nach; und wir verboten´s ihm, weil er uns nicht nachfolgt.
(Mk 9,38)

Jesus nimmt zwar im Fall des Exorzismus keinen Anstoß an der ihm berichteten Amtsanmaßung. Das bedeutet aber nicht, daß die Apostel nicht doch grundsätzlich im Recht gewesen sind: Nur wer von Jesus tatsächlich dazu beauftragt ist, darf eigentlich eine Handlung in seinem Namen durchführen.

Dem widerspricht nicht, daß Jesus vor seiner Himmelfahrt jedem gläubigen Christen den Exorzismus erlaubt:

Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: in meinem Namen werden sie böse Geister austreiben, in neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben ...
(Mk 16,17+18)

Man kann ja jeden Christen als einen Amtsträger Jesu verstehen, wenn auch nicht mit der ganzen Vollmacht des ordinierten kirchlichen Amtes. Es kann ja auch jeder Christ im Notfall taufen und diese Taufe mit der amtlichen Formel vollziehen: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Zweifellos ist jede Taufe ein amtliches Handeln, ein hoheitlicher Akt höchsten Grades, auch wenn jeder Christ diese Amtshandlung im Notfall ausüben kann.

Ähnliches gilt von der Krankensalbung. Nach dem Jakobusbrief ist sie eigentlich eine amtliche Handlung der Priester bzw der „Ältesten“, wie das Wort presbyteroi meistens übersetzt wird:

Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, daß sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn.
(Jak 5,14)

Auch hier gilt allerdings, daß unter Umständen jeder gläubige Christ das Amt geistlicher Krankenheilung ausüben kann, denn es heißt ebenfalls bei der Himmelfahrt:

... auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird´s besser mit ihnen werden.
(Mk 16,18)

Mit einer solchen allgemeinen Bevollmächtigung wird jedoch nicht die besondere Vollmacht der kirchlichen Amtsträger aufgehoben. Grundsätzlich gilt: Die Worte „im Namen des HERRN“ oder „im Namen Jesu Christi“ zeigen vielfach an, daß eine bestimmte Handlung im amtlichen Auftrag Gottes oder Jesu Christi vollzogen wird.

*

Wir wenden uns nun dem Gebet „im Namen Jesu Christi“ zu, von dem Jesus wiederholt sagt, daß es mit Sicherheit erfüllt wird. Von diesem besonderen Gebet ist nur in der großen Abschiedsrede Jesu am Gründonnerstagabend die Rede, allerdings kommt Jesus dabei mehrfach auf dieses Gebet zurück. Eine dieser Stellen lautet:

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er´s euch geben. Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen sei.
(Joh 16,23+24)

Könnte es sein, daß auch hier die so betont wiederholten Worte „in meinem Namen“ bedeuten, daß ein amtliches Gebet gemeint ist, ein Gebet also bei einer bestimmten, von Jesus angeordneten Amtshandlung? Um es ganz konkret zu sagen: Könnte es sein, daß Jesus hier von der Epiklese beim Abendmahl und von den Weihegebeten bei den verschiedenen Ordinationen spricht?

Diese Fragen zu stellen heißt, sie zu bejahen. Es gibt - abgesehen vom bußfertigen Gebet um Vergebung - überhaupt keine anderen Gebete, von denen wir - zumindest nach der Überzeugung der Kirche - erwarten dürfen, daß sie in jedem Fall erhört werden. Das ist selbstverständlich nur unter der Voraussetzung der Fall, daß hier wirklich das geschieht, was Jesus angeordnet hat. Wenn beispielsweise das Abendmahl falsch eingesetzt wird, wenn es statt mit Brot und Wein mit Coca Cola und Hühnerbeinen gefeiert wird, wie das leider schon vorgekommen ist, dann weichen die amtierenden Personen ja vom Auftrag Jesu ab, und die Epiklese ist - falls sie dabei überhaupt gesprochen wurde - ohne die Verheißung auf unbedingte Erhörung.

Nun soll an dieser Stelle nicht erörtert werden, was alles beim Abendmahl und bei einer Ordination falsch gemacht werden kann, so daß die dabei gesprochenen Gebete keine Gebete „im Namen Jesu Christi“ sind. Hier geht es zunächst nur um die Feststellung: Es gibt nach dem Glauben der Kirche - neben dem bußfertigen Gebet um Vergebung - keine anderen Gebete, deren Erhörung in jedem Fall sicher ist, als die verschiedenen Weihegebete, also vor allem die Abendmahls- und Ordinationsepiklesen. Das spricht doch sehr dafür, daß auch Jesus in seiner großen Abschiedsrede nur diese amtlichen Gebete gemeint haben kann.

An einer anderen Stelle hat Jesus das Gebet in seinem Namen allerdings in den Zusammenhang des Glaubens gestellt:

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und wird größere als diese tun, denn ich gehe zum Vater. Und was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, auf daß der Vater verherrlicht werde in dem Sohne. Was ihr mich bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun.
(Joh 14,12-14)

Muß man aus diesen Versen den Schluß ziehen, daß Jesus doch nicht von amtlichen Kirchengebeten spricht, sondern von den Gebeten besonders glaubensstarker Christen, die in jedem Fall erhört werden? Nun, gegen einen solchen Schluß sprechen verschiedene Gründe:

Einmal: Wenn der starke Glaube eines jeden beliebigen Christen die Voraussetzung für eine sichere Gebetserhörung wäre, wozu erscheint dann noch in diesem Jesuswort das zweimalige, durch Wiederholung stark betonte „in meinem Namen“?

Zum anderen: An welche Wunder kann Jesus gedacht haben, wenn er von noch größeren Wundern spricht als die, die er getan hat? Er ist ja vom Himmel herabgekommen und Mensch geworden. Er ist auf dem Wasser gegangen und hat dem Sturm geboten. Er hat Tote auferweckt, ist selber auferstanden und schließlich zum Himmel aufgefahren. Was kann es da noch Größeres geben?

Es ist nur eine Antwort möglich: Noch größer ist, eine weltweite Kirche zu begründen, in der durch Jahrtausende hindurch geweihte Priester an vielen Orten die Fleischwerdung Christi auf den Altären wieder und wieder neu bewirken - durch die Epiklesen bei der Priesterweihe und bei der Einsetzung des Abendmahls.

Nun verstehen wir auch, warum Jesus in diesem Zusammenhang vom Glauben spricht. Wir sehen nämlich - im Protestantismus besonders deutlich! - daß viele Christen jedes Wunder zu glauben bereit sind, nur nicht das Wunder der Priesterweihe und nicht das Wunder der eucharistischen Inkarnation Jesu Christi. Die Konsequenz dieses Unglaubens ist, daß die entsprechenden Epiklesen nicht gebetet werden und daß das ganze große Wunder der Kirche vielfach nicht existent ist.

Wir sehen also: Auch in Joh 14,12-14 kann das Gebet „im Namen Jesu Christi“ gut und sinnvoll auf die amtlichen Epiklesen gedeutet werden. Und eine andere sinnvolle Deutungsmöglichkeit dieser Verse kann zumindest ich nicht erkennen.

Die gleiche Deutung empfiehlt sich auch bei dem folgenden Vers:

... ich habe euch erwählt und gesetzt, daß ihr hingehet und Frucht bringet und eure Frucht bleibe, damit, wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen, er´s euch gebe.
(Joh 15,16)

Jesus hat die Apostel auserwählt und in ihr Amt gesetzt, damit sie bleibende Frucht bringen, nämlich eine lebendige, bleibende Kirche. Dies wird der Fall sein, wenn sie die Kirche durch amtliche Gebete auf ein wunderbar-sakramentales Fundament stellen werden.

Am schwierigsten zu verstehen ist die vierte und letzte Stelle in der großen Abschiedsrede Jesu, die vom Gebet in seinem Namen spricht:

Es kommt aber die Zeit, daß ich nicht mehr in Bildern mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater. An demselben Tage werdet ihr bitten in meinem Namen.
(Joh 16,25+26)

Wenn unsere bisherigen Erklärungen richtig waren, geht es hier wohl um den Tag des ersten Abendmahls der Jünger. Wann sie das gefeiert haben, wissen wir jedoch nicht. Schon am Ostersonntagabend? Oder irgendwann im Verlauf der vierzigtägigen Osterzeit? Oder erst nach der Ausgießung des Heiligen Geistes? Es ist also schwierig, diese Verse zu deuten. Es ist mir aber auch keine andere, bessere Deutung bekannt. Insofern kann man feststellen, daß diese Verse die bisher vorgetragene Bedeutung des Gebets „im Namen Jesu Christi“ zumindest nicht widerlegen. Ich bleibe also dabei: Es gibt nur eine sinnvolle Erklärung jener Gebete in Jesu Namen, deren Erhörung in jedem Fall gewiß ist. Es muß sich um die Epiklese und um die anderen kirchlichen Weihegebete handeln.

Wenn man über das Gebet „im Namen Jesu Christi“ nachdenkt, sollte man übrigens auch den Kontext beachten, in dem Jesus über diese Gebete gesprochen hat. Es war ja der gleiche Gründonnerstagabend, an dem Jesus auch das heilige Abendmahl eingesetzt und den Jüngern als bleibende Aufgabe anbefohlen hat. Das spricht ja doch sehr stark dafür, daß hier ein innerer Zusammenhang bestehen muß.

*

Das Ergebnis unserer verschiedenen Überlegungen wird bestätigt durch die alten katholischen, vorkonziliaren Weiheformulare, bei denen eine ganze Reihe von Weihehandlungen sehr betont „im Namen des Herrn“ oder „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ vollzogen werden.

Der Sprachgebrauch in diesen alten Weiheformularen ist zwar - wie in der Bibel - nicht ganz einheitlich, es gibt hier auch einen Sprachgebrauch, nach dem die Worte „im Namen des Herrn“ als „um Jesu Christi willen“ verstanden werden müssen19, aber meistens ist doch gemeint: Dies ist eine Weihe im amtlichen Auftrag. So heißt es bei der Salbung innerhalb der Präfation, durch die der Bischof konsekriert wird:

Dein Haupt werde gesalbt und geweiht, mit himmlischer Segnung zur bischöflichen Würde. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Und bei der Priesterweihe heißt es während der Händesalbung:

Weihen und heiligen mögest Du, o Herr, diese Hände durch diese Salbung und unsere Segnung. Damit alles, was sie segnen werden, gesegnet sei, und was sie weihen werden, geweiht und geheiligt sei, im Namen unseres Herrn Jesu Christi.

Ebenso heißt es bei der Berührung von Kelch und Patene, was ja lange Zeit als der entscheidende Weiheakt galt:

Empfange die Gewalt, das Opfer Gott darzubringen und Messen zu lesen sowohl für die Lebenden als für die Verstorbenen. Im Namen des Herrn.

Bei der Diakonatsweihe kommt diese Formel sogar an drei verschiedenen Stellen vor. Besonders wichtig ist sie natürlich bei den Worten, die während der segnenden Handauflegung gesprochen werden:

Empfange den Heiligen Geist zur Kräftigung, und um zu widerstehen dem Teufel und seinen Versuchungen. Im Namen des Herrn.

Auch bei verschiedenen anderen altüberlieferten katholischen Weihen kommen entsprechende Formeln mehrfach vor. Aber auch das unter Handauflegung gesprochene Segensgebet der neuesten lutherischen Agende schließt mit der Formel: „Im Namen des + Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“20. Und die gleiche Formel kann nach der lutherischen Agende auch bei der Weihe einer Kirche, eines Altars, einer Kanzel, eines Taufsteins, einer Orgel und einer Glocke gesprochen werden21.

Die verschiedenen Ordinations- bzw Weiheformulare gebrauchen also die Formel „im Namen des Herrn“ oder „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ in genau dem Sinn, in dem wir das in der großen Abschiedsrede empfohlene Gebet im Namen Jesu Christi verstanden haben, nämlich als Hinweis: Dies ist ein amtliches Weihegebet. Das heißt nicht, daß eine solche Formel immer gebraucht werden muß und daß ein Gebet ohne eine solche Formel ungültig wäre. Es zeigt jedoch sehr deutlich, daß auch die verschiedenen Ordinations- und Weiheformulare das Gebet „im Namen Jesu Christi“ immer wieder als amtliches Weihegebet verstanden haben, dessen Erhörung die Kirche absolut gewiß sein kann - falls die Handlung auch tatsächlich dem Willen Jesu entspricht.

*

Ich fasse zusammen: Wenn Jesus in seiner großen Abschiedsrede mehrfach von einem Gebet in seinem Namen spricht, das mit absoluter Gewißheit erhört wird, so kann es sich dabei vernünftigerweise nur um die verschiedenen amtlichen Weihegebete der Kirche handeln. Sie alle - vor allem die Abendmahlsepiklese - sind von Jesus selber gewollt, das heißt: von ihm selber eingesetzt bzw den Aposteln für die Zukunft anbefohlen.

Auch 1.Tim 4,5 - auf diese Stelle weist uns Gregor von Nyssa hin - ist offensichtlich eine biblische Belegstelle für die Abendmahlsepiklese.

Ohne weitere Erläuterung erklärt auch Basilius der Große, daß die Abendmahlsepiklese aus der ungeschriebenen Überlieferung der Apostel stammt. Das heißt jedoch, da die Apostel nach altkirchlicher Überlieferung ja nur gelehrt haben, was Jesus ihnen befohlen hat, daß nach Basilius auch die Epiklese auf die Einsetzung durch Jesus zurückgeht.

Aus alledem ergibt sich: Die Abendmahlsepiklese ist wahrscheinlich schon von Jesus eingesetzt mit der Verheißung, daß dieses Gebet immer erhört werde. Daraus ergibt sich, worauf schon einmal hingewiesen wurde, daß ein Abendmahl ohne Epiklese möglicherweise ungültig ist. Ein gewissenhafter Pfarrer sollte zumindest vorsichtshalber zusammen mit den Einsetzungsworten immer auch eine Epiklese sprechen. Wenn die Verhältnisse es nicht erlauben, eine offizielle, ausführliche Epiklese zu beten, genügt es ja schon, wenn der Pfarrer vor den Einsetzungsworten halblaut kurz die folgenden Worte spricht:

Herr, unser Gott! Demütig bitten wir Dich um den Heiligen Geist: Heilige, segne und wandle!

*

Von unserem heutigen Standpunkt aus ist es bedauerlich, daß die Bibel bestenfalls nur Andeutungen zur Epiklese macht; und leider sind auch die altkirchlichen Nachrichten hierzu nicht so eindeutig und so einfach verständlich, wie wir uns das heute wünschen. Dies hat seinen Grund offenbar in der damaligen Arkandisziplin. Über diese Arkandisziplin sollte ein Theologe unbedingt Bescheid wissen, wenn er die Bibel und die altkirchliche Überlieferung richtig verstehen und werten will. In vielen Fällen, vor allem in den Fragen der sakramentalen Praxis, ergänzt jedoch die altkirchliche Überlieferung, wenn man sie verständnisvoll liest, was in der Bibel übergangen oder nicht klar ausgesprochen wird.

 

 

Anhang:  Der Trinitätsglaube des Neuen Testaments

Auch die heilige Trinität ist im Neuen Testament nur andeutungsweise bezeugt. Allerdings sind es erstaunlich viele Stellen, in denen sich solche Andeutungen finden. Die deutlichste Stelle findet sich zweifellos im Taufbefehl:

... taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes ...
(Mt 28,19)

Aber auch in den folgenden Briefstellen ist der Hinweis auf die Trinität relativ deutlich:

Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen.
(2.Kor 13,13)

Petrus, ein Apostel Jesu Christi, den Fremdlingen in der Zerstreuung ... die erwählt sind nach der Vorsehung Gottes, des Vaters, in der Heiligung durch den Geist, zum Gehorsam und zur Besprengung mit dem Blut Jesu Christi ...
(1.Pt 1,1+2)

Ihr aber, meine Lieben, erbauet euch auf euren allerheiligsten Glauben, betet im heiligen Geist und erhaltet euch in der Liebe Gottes und wartet auf die Barmherzigkeit unsers Herrn Jesu Christi zum ewigen Leben.
(Jud 20+21)

Bei den folgenden Briefstellen ist zu beachten, daß mit dem absoluten „Herr“ ja immer der Herr Jesus Christus gemeint ist:

Es sind mancherlei Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind mancherlei Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind mancherlei Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirket alles in allen.
(1.Kor 12,4-6)

... seid fleißig, zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einerlei Hoffnung eurer Berufung;  ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.
(Eph 4,3-6)

Nicht ganz einfach zu erkennen ist die trinitarische Durchformung der folgenden Verse:

Gelobt sei Gott, der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern

durch Christus. Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, daß wir sollten heilig und unsträflich sein vor ihm; in seiner Liebe hat er uns dazu verordnet, daß wir seine Kinder seien durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in allerlei Weisheit und Klugheit. Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluß, den er sich vorgesetzt hatte in Christus, damit er ausgeführt würde, wenn die Zeit erfüllt wäre: daß alle Dinge zusammengefaßt würden in Christus, beides was im Himmel und auf Erden ist. In ihm sind wir auch zum Erbteil gekommen, die wir zuvor verordnet sind nach dem Vorsatz des, der alle Dinge wirkt nach dem Rat seines Willens, auf daß wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben. In ihm seid auch ihr, die ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit - in ihm seid auch ihr, da ihr gläubig wurdet,

versiegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist, welcher ist das Unterpfand unsers Erbes zu unsrer Erlösung, daß wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
(Eph 1,3-14)

Gott ist´s aber, der uns befestigt samt euch in Christus und uns gesalbt und versiegelt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat.
(2.Kor 1,21+22)

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt (=„Jahwe“!), und von den sieben Geistern, die da sind vor seinem Thron, und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge und Erstgeborne von den Toten und Herr über die Könige auf Erden!
(Offb 1,4+5)

 

Karsten Bürgener

 

Anmerkungen

1.) Es handelt sich bei dem folgenden Aufsatz um die Zusammenfassung verschiedener Überlegungen aus dem 3. und 5. Kapitel meines Buches über „Die bischöfliche Konfirmation“. Wer sich noch etwas eingehender über die Arkandisziplin informieren möchte, sollte dort das ganze 3. Kapitel lesen. Wer sich noch weitergehende Gedanken über die Epiklese machen möchte, sei auf das dortige 5. Kapitel verwiesen.

2.) Vgl dazu die „Realencyklopädie für Protestantische Theologie und Kirche“ Bd. I (Leipzig 1897) Seite 52f.

3.) RGG3I,606-608.

4.) Der kürzlich erschienene erste Band der vierten Auflage der RGG äußert sich auch wieder bedeutend zurückhaltender.

5.) Übersetzung von H. Achelis „Die ältesten Quellen des orientalischen Kirchenrechts - erstes Buch - Die Canones Hippolyti“ in „Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur“ Bd. VI, 4 (Leipzig 1891) Seite 102f.

6.) „Reallexikon für Antike und Christentum“ Bd. I, Sp. 673.

7.) Cyrill von Jerusalem: Kat V,12 und VI,29.

8.) Man kann allerdings vielfach die Behauptung hören, daß die älteste Kirche noch keine Arkandisziplin geübt habe. Diese habe sich erst im Lauf der Zeit entwickelt. Dabei wird in aller Regel auf Justin den Märtyrer verwiesen, der sich, wie man meint, in seiner 1. Apologie zu Taufe und Abendmahl in größter Offenheit und ohne jede Zurückhaltung geäußert habe. Dabei wird jedoch übersehen, daß Justin in seiner 1. Apologie die Taufwasserweihe verschweigt, ohne die nach alter Auffassung die Taufe ungültig war. Vgl dazu den folgenden Aufsatz über die Taufwasserweihe.

9.) Siehe hierzu Klaus Gamber „Die Epiklese“ (Regensburg 1988).

10.) Die RGG schreibt:

Für die Ostkirche sehr wichtig ist die Epiklese (Herabrufung des Hl. Geistes auf Brot und Wein), die, der Anamnese folgend, konsekratorische Bedeutung hat.
(RGG3IV,422)

Es ist bezeichnend für die geringe Bedeutung, die die Epiklese in der westlichen Theologie hat, daß dies die einzige Aussage ist, die die RGG überhaupt zur Epiklese macht!

11.) Zu beachten ist allerdings, daß Irenäus an anderer Stelle von einem Zauberer schreibt, der - vermutlich nach kirchlichem Vorbild - auch eine Epiklese spricht:

Indem er nämlich den Anschein erweckt, als ob er über einen Kelch mit Wein die Danksagung spricht und das Wort der Epiklese weit ausdehnt, läßt er ihn purpurfarben rot erscheinen ...
(Adv haer I,13,2)

12.) Migne PG 49,398. Eine weitere Stelle, die von der Konsekration durch die Epiklese spricht, findet sich in BKV2 „Über das Priestertum“ IV,4.

13.) Migne PG 49,389.

14.) Vgl. hierzu ThW I, Seite 112ff.

15.) W. Bauer „Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments ...“ Berlin 1958 Sp. 16.

16.) Genauso wie Paulus bei der Auseinandersetzung um das Götzenopferfleisch als letztes und entscheidendes Argument auf den Konsekrationssegen beim Abendmahl zu sprechen kommt (1.Kor 10,16-21), so hofft er wohl, auch den Streit um reine oder unreine Speise (1.Tim 4,1-5) am ehesten durch einen Hinweis auf die vermutlich allgemein anerkannte Konsekrationsregel entscheiden zu können.

17.) Adam/Berger „Pastoralliturgisches Handlexikon“ (Freiburg 1981) Seite 123.

18.) Vgl dazu Bugenhagens Lübecker Kirchenordnung von 1531.

19.) Bei der Weihe zum Subdiakon wird der Kandidat mit folgenden Worten angesprochen:

Demnach überlege, da es noch Zeit ist; willst du aber in dem heiligen Entschluß beharren, so trete im Namen des Herrn hier heran.

Hier geht es nicht um ein amtliches Handeln, denn der Kandidat läßt die Weihe ja passiv über sich ergehen, sondern um seine Motivation, mit der er diese Weihe auf sich nimmt: Er soll nicht aus Eitelkeit oder anderen menschlichen Gründen herzutreten, sondern „um Christi willen“.

20.) „Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden“ Bd. IV „Ordination und Einsegnung. Einführungshandlungen. Einweihungshandlungen“ (Hannover 1987) Seite 34. Interessant ist, daß dies nur bei der Ordination eines Pfarrers der Fall ist, nicht bei seiner Einführung und auch nicht bei der Einführung eines Bischofs!

21.) Seite 135 / 143 / 145 / 149 / 151 / 158.

 

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