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12.

Das Evangelium für den Pfarrer

 

Wer die Bibel einigermaßen gut kennt, weiß, daß das Amt der Zwölf Apostel ein bleibendes, ein ewiges Amt ist. Jesus hat den Aposteln versprochen:

Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir seid nachgefolgt, werdet dereinst bei der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, auch sitzen auf zwölf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels.
(Mt 19,28)

Die Zwölf Apostel werden also in der Ewigkeit auf Thronen sitzen und das Volk Israel „richten“. Offenbar ist mit diesem „richten“ eine besondere Art von Regentschaft gemeint. Schon die „Richter“ des Alten Testaments waren nicht nur Richter, sondern auch Feldherrn und ganz allgemein Regenten. Wahrscheinlich in diesem letzten Sinn werden die Apostel im Himmel wohl allgemeine Regenten und nicht Richter sein. Es wird ja im Himmel keine Streitereien und kein Anrufen eines Gerichtes mehr geben, und dementsprechend kann es auch keine wirklichen Richter mehr geben.

Und selbstverständlich werden die himmlischen Regenten auch keine Heere aufstellen und keine neuen Gesetze erlassen. Sie werden wahrscheinlich vor allem „repräsentieren“. Sie werden neben und mit Jesus Christus den Vorsitz in der himmlischen Liturgie übernehmen und schon durch ihre hervorgehobene Repräsentanz der Menge der Erlösten eine differenzierte Struktur vermitteln. Denn die große Menge der Erlösten wird offenbar kein „glückseliger Einheitsbrei“ sein, sondern ein liturgisches Heer, das strukturiert ist und zusammengesetzt aus vielen Abteilungen und Unterabteilungen.

Jedem einzelnen Christen wird es Freude machen, daß er seinen festen Platz in diesem großen Organismus hat; und wenn er auch tatsächlich nur noch als Letzter oder Kleinster in den Himmel gekommen ist (vgl Mt 5,19 / 19,30 / 20,16 / Lk 13,30), wird er doch nicht neidisch oder unzufrieden sein, sondern ganz glückselig als kleines Mitglied einer großen, erlösten Gemeinschaft.

Daß in diesem Zusammenhang die zwölf Apostel eine besondere und hervorgehobene Stellung haben werden, daß also ihr irdisches Amt auch im Himmel noch fortbestehen wird, bedarf wie gesagt keiner weiteren Erklärung. Wie aber ist es mit den anderen kirchlichen Ämtern? Wird auch das Bischofsamt, das Pfarramt und der Diakonat im Himmel fortbestehen? Ja. Es gibt zumindest eine Bibelstelle, die das deutlich bezeugt.

Im 2. Korintherbrief vergleicht Paulus das Amt des Neuen Bundes mit dem Amt des alten Bundes. Er schreibt:

Wenn aber schon das Amt, das mit Buchstaben in Stein gehauen war und das doch nur den Tod bringt, Herrlichkeit hatte, so daß die Kinder Israel das Angesicht des Mose nicht konnten ansehen um der Herrlichkeit willen auf seinem Angesicht, die doch aufhört, wie sollte nicht viel mehr das Amt, das den Geist gibt, Herrlichkeit haben? Denn wenn das Amt, das die Verdammnis predigt, Herrlichkeit hat, wieviel mehr hat das Amt, das die Gerechtigkeit predigt, überschwengliche Herrlichkeit.
(2.Kor 3,7-9)

Das Amt des neuen Bundes hat also eine viel größere Herrlichkeit als das Amt des alten Bundes. Der alte Bund mit seinen in Stein geschriebenen Geboten brachte leider nur göttliche Strafe, Tod und Verderben, da die Gebote den Menschen nicht wirklich zu bessern vermochten. Trotzdem hatte das alte Amt eine hohe, gottgegebene Würde und Herrlichkeit. Das neue Amt dagegen vermittelt durch Wort und Sakrament die verwandelnde Kraft des Heiligen Geistes. Es hat also eine noch größere Würde und Herrlichkeit.

In diesem Zusammenhang erklärt nun der Apostel: Das Amt des alten Bundes hört auf, das Amt des neuen Bundes ist dagegen ein bleibendes Amt. Ich zitiere die Stelle mit zwei Versen Vorlauf, damit diese erstaunliche Aussage in ihrem Zusammenhang klar und eindeutig hervortritt:

... wenn das Amt, das die Verdammnis predigt, Herrlichkeit hat, wieviel mehr hat das Amt, das die Gerechtigkeit predigt, überschwengliche Herrlichkeit. Ja, die Herrlichkeit dort ist nimmermehr für Herrlichkeit zu achten gegen die überschwengliche Herrlichkeit hier. Denn wenn das Herrlichkeit hatte, was da aufhört, wieviel mehr wird das Herrlichkeit haben, was da bleibt.
(2.Kor 3,9-11)

Das neutestamentliche Amt ist also ein bleibendes Amt. Nicht nur die Apostel werden im Himmel noch Apostel sein, auch die anderen Amtsträger - falls sie in den Himmel kommen - werden ihr irdisches Amt als ewige Würde behalten.

In diesem Zusammenhang sollte man auch das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden beachten. In der Fassung, wie sie uns Lukas überliefert hat, sagt der edle Herr, der nach einer langen Abwesenheit als König zurückgekehrt ist, zu dem Knecht, der mit dem ihm anvertrauten Geld die zehnfache Summe erhandelt hatte:

Ei, du frommer Knecht, weil du bist im Geringsten treu gewesen, sollst du Macht haben über zehn Städte.
(Lk 19,17)

Und zu dem nächsten Knecht, der mit dem ihm anvertrauten Geld immerhin das Doppelte erwirtschaftet hat, sagt der Herr:

Und du sollst sein über fünf Städte.
(Lk 19,19)

Was kann Jesus mit den Worten gemeint haben: Du sollst Macht haben über zehn Städte? und: Du sollst sein über fünf Städte? Handelt es sich hier lediglich um eine bedeutungslose Ausmalung der Bildhälfte des Gleichnisses? Das ist kaum anzunehmen. Nirgendwo gibt es in den Evangelien bedeutungslose Worte. Also müssen auch diese Worte etwas bedeuten.

Es ist ja immer angezeigt, eine biblische Aussage zunächst einmal möglichst wörtlich zu verstehen. In diesem Fall würde das heißen: Auch im Himmel wird es viele, verschiedene Städte geben; und wer ein besonders eifriger Knecht gewesen ist, wird im Himmel über mehrere Städte „regieren“. Wenn man diese Aussage nun im Sinn der alten Kirche liest, bei der die Regel galt: „Eine Stadt, ein Bischof“ - wenn man also das Wort „Stadt“ als die christliche Gesamtgemeinde einer Stadt versteht, dann bekommt die Aussage des lukanischen Gleichnisses einen tiefen und dramatischen Sinn: Besonders eifrige und treue Knechte werden im Himmel Bischöfe und Erzbischöfe über mehrere Städte oder Kirchenkreise werden.

Was für Knechte sind hier gemeint? Stellt das Gleichnis allen Christen eine solche Belohnung in Aussicht oder nur den Amtsträgern? Verschiedene Einzelheiten sprechen dafür, daß hier vom kirchlichen Amt die Rede ist. Da ist einmal zu beachten, daß der „Edle“, der davonreist, um ein Königtum zu erlangen, und der die gewaltige Summe von zehn Talenten verteilen konnte, schon bis dahin ein sehr vornehmer und reicher Herr gewesen sein muß. Er hatte gewiß eine besonders zahlreiche Schar von Knechten. Aus der Vielzahl seiner Knechte hat er jedoch nur zehn Knechte ausgewählt, um jedem eine große Menge Silbergeld anzuvertrauen. Schon diese Auswahl spricht dafür, daß hier gleichnishaft nicht vom „allgemeinen Priestertum“ die Rede ist, sondern von den besonderen kirchlichen Amtsträgern.

Es fällt ferner das Stichwort „Macht“ (exusia):

Ei, du frommer Knecht, weil du bist im Geringsten treu gewesen, sollst du Macht haben über zehn Städte.
(Lk 19,17)

Besondere Macht ist immer nur einzelnen gegeben. Haben alle Beteiligten die gleiche Macht, so hat keiner von ihnen wirkliche Macht. Auch das spricht also dafür, daß hier gleichnishaft von den kirchlichen Amtsträgern die Rede ist.

Offenbar wird in diesem Gleichnis den treuen Amtsträgern der Kirche versprochen, daß sie auch im Himmel noch Macht haben werden, und zwar gegebenenfalls sogar eine weit größere Macht als die, die sie hier auf der Erde hatten - wenn auch die Ausübung ihrer Macht im Himmel eine andere sein wird als hier auf der Erde. Es geht ja, wie oben dargelegt, um die repräsentative Darstellung des Amtes.

Nun darf man in diesem Zusammenhang vielleicht sogar eine sehr gewagte Vermutung riskieren: Vielleicht werden den treuen Pastoren im Himmel ihre alten Gemeinden zugeteilt; und weil einige Gemeinden im Himmelreich verweist sein werden, da keiner ihrer Pfarrer die Seligkeit erlangt hat - oder weil einige ihrer Pastoren gerade noch in den Himmel gekommen, dabei aber zugleich amtsenthoben worden sind -  bekommen die besonders eifrigen und treuen Pastoren vielleicht die ewige Vakanzverwaltung dieser Gemeinden.

Wenn ich es wage, eine solche Vermutung zu äußern, dann nicht, um irgend jemanden dazu zu verleiten, sich selbst für heilig zu erklären und sich jetzt schon selber zum himmlischen Pfarrer, Bischof oder Erzbischof zu ernennen, wohl aber könnten solche Überlegungen ein Ansporn sein, daß jeder wirklich sein Amt um so mehr mit Treue und Energie ausübt, je mehr er sich klar vor Augen hält, daß er ein ewiges Amt auszuüben hat. Nicht umsonst schreibt ja auch Paulus:

Darum, weil wir ein solch Amt haben nach der Barmherzigkeit, die uns widerfahren ist, werden wir nicht müde ...
(2.Kor 4,1)

Möge Gottes Barmherzigkeit jeden seiner Knechte vor Faulheit und Müdigkeit, vor allem aber auch vor der Resignation bewahren. Dabei ist unsere größte Gefahr ja nicht die primitive, fleischliche Faulheit, sondern die ebenfalls fleischliche Resignation angesichts der scheinbaren Erfolglosigkeit so vieler Bemühungen und die Entmutigung wegen der vielen Behinderungen und Reibungsverluste in der heutigen volkskirchlichen Situation. Was wir brauchen, ist jedoch eine geistlich-optimistische Schau. Wenn es uns gelingt in dreißig Jahren Pfarramt zehn Gemeindeglieder zu bekehren und zum Himmel zu bringen, haben wir ja schon den uns anvertrauten Glauben verzehnfacht - unter welchen Mühen auch immer.

Wir sollten uns nicht über volkskirchlich-unbiblische Strukturen ärgern, die wir nicht ändern können, und uns an ihnen nicht aufreiben, sondern einzelne Seelen zu retten versuchen. Wir sollten getrost einzelne fromme Seelen stärken und die großen Strukturen, die wir doch nicht ändern können, so gelassen ertragen und erleiden, wie es immer geht. Dabei sollten wir bedenken: Das Ziel unseres pfarramtlichen Lebens ist nicht die Pensionierung, sondern die Ewigkeit.

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Wir kehren noch einmal zum Gleichnis von den anvertrauten Pfunden zurück. Falls es nämlich jemanden geben sollte, den die Tatsache irritiert, daß dieses Gleichnis bei Matthäus und Lukas in verschiedenen Varianten überliefert ist, und wenn er meint, eine davon müsse wohl unecht sein - und wenn er dann die Lukasfassung, die so deutlich von einer zukünftigen Machtausübung spricht, für unecht erklären will - so möchte ich auch dazu kurz Stellung nehmen:

Wenn ein Gleichnis oder auch sonst ein Jesuswort in verschiedenen Varianten überliefert ist, spricht das keineswegs für deren Unechtheit. Auch ein moderner Schriftsteller wie Bert Brecht, kann ein Thema in verschiedenen Variationen bearbeiten. So hat Brecht einen „Kaukasischen Kreidekreis“ und einen „Augsburgischen Kreidekreis“ verfaßt. Das Thema ist beidemale gleich, die Ausführung aber durchaus verschieden. Ich möchte annehmen, daß Jesus sich ähnlich verhalten hat. Vielleicht hat er mit den Jüngern sogar systematisch geübt, wie man ein Gleichnis variieren und an die verschiedenen Situationen anpassen kann. Und als autoritatives Vorbild hat er ihnen offenbar auch selber das eine oder andere Gleichnis in verschiedenen Varianten vor Augen gestellt.

Weitere Beispiele für solche Gleichnisse in verschiedenen Varianten sind ja die Gleichnisse vom großen Abendmahl (Mt 22,1-14 / Lk 14, 16-24) oder vom Türhüter (Mk 13,33-37 / Lk 12,35-38). Es sollte sich also niemand durch irgendwelche Echtheitszweifel den Blick dafür verstellen lassen, welche große Belohnung Jesus nach dem Lukasevangelium dem treuen Amtsträger der Kirche in Aussicht stellt.

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Nun ist es vielleicht nötig, sich auch einige Gedanken zum Stichwort „Lohn“ zu machen. Der evangelische Christ setzt ja das Wort „Lohn“ sehr leicht mit dem Begriff „Verdienst“ gleich und denkt dabei unwillkürlich an die konfessionellen Streitigkeiten der Reformationszeit. Damals wollten sich ja viele Katholiken das Himmelreich durch viele gute Werke verdienen. Sollte sich ein solcher Verdienstgedanke vielleicht schon in der Bibel finden? Sollte schon die Bibel - zumindest an einigen Stellen - das Himmelreich als Lohn für verdienstvolle Werke in Aussicht stellen? Das kann natürlich nicht gemeint sein, aber was bedeutet das Wort „Lohn“ denn sonst? In aller Regel weiß der evangelische Christ und Bibelleser auf diese Frage keine Antwort, und so gewöhnt er sich an, über alle Bibelstellen, in denen das Wort „Lohn“ vorkommt, hinwegzuspringen, wie man ja auch sonst über alles hinwegliest, was in der Bibel unverständlich ist.

Das ist jedoch schade. Jeder Christ sollte gut Bescheid wissen über den Lohn, den die Bibel uns immer wieder verspricht.

In den Himmel kommen wir in der Tat ohne jedes eigene Verdienst, allein durch den Kreuzestod Jesu Christi; das heißt: allein durch den rechten Glauben an den, der für uns am Kreuz gestorben ist. Oder mit anderen Worten: allein durch das Gebet um Vergebung um Christi willen. Es gibt darüber hinaus aber auch noch aus verschiedenen Gründen Lohn. Wir können uns das mit einem Vergleich klar machen.

Mit dem ewigen Leben verhält es sich wie mit einem Geburtstag. Niemand hat einen Anspruch, eingeladen zu werden. Man kann sich die Einladung dazu auch nicht erkaufen. Es ist die ureigenste Entscheidung dessen, der einlädt, wen er einladen will und wen nicht. So ist es auch mit Gott. Er lädt zwar alle Menschen ein, aber nur aus göttlicher Gnade, nicht aus menschlichem Verdienst und menschlicher Würdigkeit.

Zu diesem Geburtstag braucht man kein Geschenk mitzubringen. Jeder ist eingeladen, auch ohne Geschenk. Das einzige was man unbedingt tun muß, ist, der Einladung folgen. Wer nun aber doch ein Geschenk mitbringt, bekommt dafür ein Gegengeschenk - und zwar ein viel größeres Geschenk als er selber mitgebracht hat. Nicht weil er dieses Gegengeschenk verdient hätte, sondern weil Gott so groß ist und so gerne schenkt. Dieses Gegengeschenk heißt in der Bibel „Lohn“. Der Lohn ist nicht eine Folge menschlicher Verdienste, sondern ein Ausdruck der überschwenglichen Güte Gottes. Wer über die vielen Lohnversprechungen der Bibel hinweghüpft, weil er sie nicht versteht, versteht leider eine wichtige Charaktereigenschaft Gottes nicht: seine überschäumende Großzügigkeit, seine große Freude am Lohnen und Beschenken.

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Jeder Mensch kann Lohn im Himmel empfangen, es gibt aber auch besonderen Lohn für die Amtsträger.

Besonders häufig ist in der Bergpredigt vom Lohn die Rede. Wer um Christi willen verfolgt wird, wer seine Feinde liebt, wer still und unbemerkt reichlich spendet, wer im Verborgenen eifrig betet und wer sein Beten durch unauffälliges Fasten verstärkt, denen wird von Jesus Lohn in Aussicht gestellt. Dieses Versprechen gilt offenbar allen Christen, denn jeder Christ kann verfolgt werden, Geld spenden, eifrig beten usw. Wir wissen nicht, an welche Art von Lohn Jesus genau gedacht hat. Aber wir dürfen vielleicht darüber nachdenken, welche Art von Lohn wir selber gern hätten und am Jüngsten Tag erbitten würden.

Wird nicht jede fromme Mutter, die viel gebetet und auch sonst gute Werke getan hat, am Jüngsten Tag für ihren Sohn bitten, der leider nicht sehr fromm war und dessen Urteil vielleicht auf des Messers Schneide stehen wird? Kann man sich einen größeren Lohn für einen gläubigen Christen vorstellen, als wenn er einen oder vielleicht sogar mehrere Menschen von der drohenden Verdammnis freibitten kann? Jedenfalls verspricht Jesus für viele gute Taten einen zusätzlichen Lohn, und wir sollten nicht daran zweifeln, daß es unabhängig von der eigentlichen Erlösung, die allein aus Gnaden geschieht, noch einen zusätzlichen, großen Lohn geben wird für jede wirklich gute Tat:

Ein voll, gedrückt, gerüttelt und überfließend Maß wird man in euren Schoß geben ...
(Lk 6,38)

Neben dem Lohn, den jeder Christ bekommen kann, gibt es offensichtlich auch besonderen Lohn für die kirchlichen Amtsträger, wie wir das schon beim Gleichnis von den anvertrauen Pfunden gesehen haben. In diesem Zusammenhang ist auch noch die folgende Stelle interessant, die uns die folgenden Worte Jesu an die Apostel überliefert:

Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt darum, daß er ein Prophet ist, der wird eines Propheten Lohn empfangen. Wer einen Gerechten aufnimmt darum, daß er ein Gerechter ist, der wird eines Gerechten Lohn empfangen. Und wer einen dieser Geringen nur mit einem Becher kalten Wassers tränkt darum, daß er mein Jünger ist, wahrlich, ich sage euch: es wird ihm nicht unbelohnt bleiben.
(Mt 10,40-42)

Hier wird offenbar die Verfolgungssituation vorausgesetzt. Wer einem verfolgten Christen - selbst einem ganz einfachen und unbedeutenden Christen - hilft und ihn auch nur auf seiner Flucht mit einem Becher Wasser stärkt, wird dafür Lohn empfangen. Es ist hier aber auch zugleich von einem besonderen Lohn eines Propheten und eines Gerechten die Rede. Offenbar erwartet die Propheten im ewigen Leben ein besonderer Lohn!

Wenn es erlaubt ist, hier einmal seine Phantasie spielen zu lassen, dann könnte man sich vorstellen, daß die Propheten bei der himmlischen Liturgie zwar nicht repräsentativ regieren werden wie die Apostel und die anderen kirchlichen Amtsträger, daß sie aber als hervorgehobene Sänger, Lektoren und Prediger den Ruhm Gottes in alle Ewigkeit verkündigen dürfen. Und diese schöne Aufgabe würde dann auch denen übertragen werden, die einem Propheten in der Verfolgungssituation geholfen und ihn vielleicht vor den Häschern versteckt haben.

Wer eine solche phantasievolle Ausmalung des „Lohnes eines Propheten“ ablehnt, weil darüber ja tatsächlich nichts genaues in der Bibel berichtet wird, der sollte aber wenigstens daran festhalten, daß Jesus den Propheten und allen, die ihnen in der Gefahr geholfen haben, einen besonderen „Lohn eines Propheten“ in Aussicht gestellt hat - wie es übrigens auch einen besonderen „Lohn eines Gerechten“ gibt, bei dem allerdings auch mir jede Vorstellung fehlt, wie dieser besondere Lohn aussehen könnte.

Alles in allem ergibt sich jedoch: Jesus verspricht seinen Zwölf Aposteln, daß sie im Himmel auf zwölf Thronen sitzen werden; er verspricht im Gleichnis seinen treuen Knechten, daß sie über mehrere Städte Macht haben werden; er verspricht ganz allgemein allen frommen Christen großen Lohn im Himmel; und er redet von einem besonderen Lohn, den die Propheten und Gerechten empfangen werden. Daraus ergibt sich zweifellos, daß alle Christen besonderen Lohn empfangen können, daß aber auch dem kirchlichen Amt ein ganz besonderer Lohn in Aussicht gestellt wird. Dazu paßt, daß nach Paulus das Amt des neuen Bundes ein bleibendes Amt ist und sein wird. Wenn der heutige Pfarrer diese Verheißung für sein Amt ernst nimmt, wird er Trost empfangen für viele moderne Widerwärtigkeiten und angespornt werden zu neuem intensiven Einsatz.

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Nach dieser kurzen Zwischenbilanz wollen wir noch einige weitere Bibelstellen betrachten, die in diesen Zusammenhang gehören. Zunächst werfen wir einen Blick in den 1. Korintherbrief. In der Gemeinde zu Korinth gab es damals eine Tendenz zur Spaltung. Ein Teil der Gemeinde berief sich auf die Autorität des Petrus, andere Teile beriefen sich auf Paulus oder Apollos, andere wollten nur die Autorität Christi anerkennen. Gegenüber diesen Spaltungstendenzen schreibt Paulus:

Wer ist ... Apollos? Wer ist Paulus? Diener sind sie, durch welche ihr seid gläubig geworden, und das, wie es der Herr einem jeglichen gegeben hat. Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen; aber Gott hat das Gedeihen gegeben. So ist nun weder der da pflanzt noch der da begießt etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt. Der aber pflanzt und der da begießt die sind einer wie der andere. Ein jeglicher aber wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit. Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeglicher aber sehe zu, wie er darauf baue.
(1.Kor 3,5-10)

Hier erscheint nun wieder das Stichwort „Lohn“, und es geht erkennbar um den besonderen Lohn der kirchlichen Amtsträger. Am eigenen Beispiel und am Beispiel des Apollos - Petrus wird übergangen, damit niemand aus den Worten des Paulus eine Kritik an Petrus herauslesen kann - erläutert Paulus, was auf einen „jeglichen“ Amtsträger zutrifft: Sie werden Lohn erhalten, wenn sie ordentlich gearbeitet haben. Was er damit meint erläutert er durch ein Bild, in dem er den Gemeindeaufbau mit dem Bauen eines Tempelgebäudes vergleicht. Das Fundament dieses Tempels ist Jesus Christus:

Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.
(1.Kor 3,11)

Auf diesem Grund bauen alle kirchlichen Mitarbeiter das Gebäude der christlichen Gemeinde. Dabei besteht allerdings die Gefahr, daß nicht alle Bauleute nur geeignete Materialien nehmen:

Wenn aber jemand auf diesen Grund baut Gold, Silber, edle Steine, Holz, Heu, Stroh, so wird eines jeglichen Werk offenbar werden; der Tag wird’s klar machen. Denn mit Feuer wird er sich offenbaren; und welcherlei eines jeglichen Werk sei, wird das Feuer bewähren.
(1.Kor 3,12+13)

Das Feuer des Jüngsten Tages wird zeigen, wer mit geeignetem Material gebaut hat und wer nicht. Geeignete Baumaterialien sind Gold, Silber und Steine. Sie sind unverbrennbar und werden das Feuer des Jüngsten Tages überstehen. Ungeeignet sind Heu und Stroh, aber auch das ebenfalls brennbare Holz.

Für einen irdischen Tempel wäre wohl auch Holz unverzichtbar, aber das geistliche Gebäude der Kirche muß offenbar ausschließlich mit unbrennbarem Material gebaut werden. Das heißt: Die normalen irdischen Gesetzmäßigkeiten einer irdischen Gemeinschaft gelten nur eingeschränkt für den Bau der Kirche. Was beispielsweise in der modernen Gesellschaft unanfechtbar sinnvoll ist, die öffentlich Verantwortung tragende und lehrende Frau, ist in der Kirche offenbar wie das Bauen mit Holz - und sei es auch mit Ebenholz, Teakholz und Mahagoni.

Vielleicht wird man aber auch den Geburtstagsbesuch eines gläubigen Pfarrers bei einem 80jährigen Gemeindeglied, das seit 65 Jahren nur dann in die Kirche gekommen ist, wenn etwas Besonderes anlag, als Bauen mit Holz ansehen müssen. Es macht zwar den Pfarrer beliebt, und solche Beliebtheit scheint ihm vielleicht an anderer Stelle beim Gemeindeaufbau zu helfen. Er hat aber vielleicht nicht ausreichend bedacht, daß der reine Geburtstagsbesuch mit wohlgemeinten frommen Worten und kurzem Gebet, aber ohne jegliche Kritik am unchristlichen Leben des Jubilars in der ganzen Gemeinde als Zeugnis gegen die Heilsnotwendigkeit des Gottesdienstes verstanden wird.

In diesem Zusammenhang muß auch ein Wort zur kirchlichen Vorhofarbeit gesagt werden. Wer glaubt, die volkskirchlichen Gemeindeglieder über Ausflüge, Geselligkeitsveranstaltungen und Quasigottesdienste, also mit Familiengottesdiensten, Freiluftgottesdiensten, Gospelkonzerten usw in die gottesdienstliche Kerngemeinde hinüberziehen zu können, handelt genauso wie eine Mutter, die glaubt, mit vielen Bonbons am Vormittag den Appetit zum Mittag steigern zu können. Das Gegenteil wird der Fall sein. Ein seltener Bonbon schadet sicher nicht und kann gelegentlich sogar Gutes bewirken. Allzuviele Bonbons sind jedoch gesundheitsschädlich und dämpfen den Appetit auf die eigentliche Mahlzeit.

Ebenso ist es mit der Vorhofarbeit. Eine gelegentliche Geselligkeit oder ein ganz seltener Familiengottesdienst kann vielleicht auch einmal Gutes bewirken, allzuviel von solchen Veranstaltungen entleeren jedoch unsere Hauptgottesdienste. Die Gemeindeglieder meinen, sie seien schon im Frieden mit Gott, wenn sie an irgendwelchen oberflächlichen Gemeindeveranstaltungen teilgenommen haben, da können sie sich die wesentlich anstrengenderen Gottesdienste mit ernster Predigt und der erschütternden Heiligkeit des Abendmahls ja wohl ersparen. Wer auf eine solche Weise Gemeindeaufbau betreiben will, baut ebenfalls mit Holz.

Mit vollkommen ungeeignetem Heu und Stroh bauen dagegen diejenigen kirchlichen Amtsträger, die ein historisch-kritisch entkerntes Evangelium predigen, die die biblische Moral aushöhlen und die ihr eigenes Amt und ihre eigene Vollmacht verraten, indem sie die Demokratie in der Kirche schönreden und als biblisch ausgeben.

In diesem Zusammenhang ist nun noch einmal vom „Lohn“ die Rede:

Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf (=auf den Grund Jesus Christus) gebaut hat, so wird er Lohn empfangen.
(1.Kor 3,14)

Wenn also jemand vor allem durch biblische Predigt und mit einer Sakramentsverwaltung, die sich ebenfalls nach den biblischen Vorgaben richtet, mit allen dazugehörenden Mühsalen und Anfeindungen die ihm anvertraute Herde recht geweidet hat, wird er Lohn empfangen.

Andererseits:

Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.
(1.Kor 3,15)

Gemeint sind wahrscheinlich keine Pastoren, die im vollen Bewußtsein, daß sie falsch handeln, mit Heu, Stroh und Holz gebaut haben. Es werden wohl solche gemeint sein, die mit besten Absichten - aber falsch ausgebildet und mit falschen Vorbildern - den Gemeindeaufbau betrieben haben. Sie werden zunächst irgend eine Strafe bekommen, aber immerhin gerettet werden und in den Himmel kommen - allerdings ohne besonderen Lohn, denn ihr Werk ist verbrannt.

Offenbar hat Paulus an dieser Stelle nur eine solche Gruppe von kirchlichen Amtsträgern im Blick, die unwissentlich falsch gehandelt haben. Jesus spricht dagegen im Lukasevangelium von drei Gruppen, die sich auf unterschiedliche Weise verfehlt haben und daher unterschiedlich schwer bestraft werden:

(Wenn ein) Knecht in seinem Herzen sagen wird: Mein Herr verzieht zu kommen, - und fängt an, zu schlagen Knechte und Mägde, auch zu essen und zu trinken und sich vollzusaufen: so wird desselben Knechtes Herr kommen an dem Tage, da er sich’s nicht versieht, und zu der Stunde, die er nicht weiß, und wird ihn in Stücke hauen lassen und wird ihm seinen Lohn geben mit den Ungläubigen.
(Lk 12,45+46)

Auf unsere heutige Zeit übertragen redet Jesus offensichtlich von den Pröpsten, Superintendenten, Oberkirchenräten und anderen leitenden Kirchenmännern, die den rechtgläubigen Pastoren das Leben schwer machen, sie grundlos mit Absetzung bedrohen oder sogar die Absetzung vollziehen! Wilhelm Löhe ist von seiner Kirchenleitung dreimal abgesetzt worden. Die für soetwas veranwortlichen Amtsträger der Kirche werden, wie Jesus ankündigt, ihren Lohn mit den Ungläubigen bekommen. Sie werden also zur Hölle verurteilt werden. Über die zweite Gruppe sagt Jesus:

Der Knecht aber, der seines Herrn Willen weiß, hat aber nichts bereitet noch nach seinem Willen getan, der wird viel Streiche leiden müssen.
(Lk 12,47)

Jesus rechnet also mit solchen Pastoren, die genau wissen, was sie für ihre Gemeinde zu tun haben, aber sie tun es nicht. Vielleicht aus Trägheit, vielleicht aber auch aus Angst vor ihren Kirchenvorständen und ihren Kirchenoberen. Sie werden - bildlich gesprochen: viele Schläge bekommen, aber leben bleiben. Sie müssen also durch eine Art Fegfeuer hindurch, kommen aber doch in den Himmel.

Die dritte Gruppe dürfte genau die sein, von denen auch Paulus gesprochen hatte:

Der (Knecht, der) ihn (=den Willen Jesu) aber nicht weiß und hat getan, was der Streiche wert ist, wird wenig Streiche leiden.
(Lk 12,48)

Was Jesus hier „wenig Streiche“ nennt, entspricht wohl dem „er wird Schaden leiden“ bei Paulus. Eine geringe Strafe wird also der erleiden, der unwissentlich den falschen Gemeindeaufbau betrieben hat bzw der der Gemeinde nicht so mit Wort und Sakrament gedient hat, wie es seine Aufgabe gewesen wäre. Dabei gilt das deutsche Sprichwort: „Dummheit schützt vor Strafe nicht.“ Jesus geht offenbar davon aus, daß jeder Amtsträger die Pflicht hat, sich genau nach seinem Auftrag zu erkundigen. Dabei hat er die Bibel zu benutzen und die volkskirchlichen Gepflogenheiten kritisch zu hinterfragen.

Wenn er das getan hat, wird es nicht seine Aufgabe sein, die Volkskirche umzustürzen, sondern er wird die Chancen der Volkskirche nutzen um die Herde Gottes mit Wort und Sakrament zu versorgen und sich aus dem fruchtlosen Herumwirtschaften mit Heu, Stroh und Holz möglichst heraushalten.

Bei alledem sollte der Diener Gottes wissen, daß ihm ewiger Lohn winkt - nicht wegen eines äußerlich florierenden Gemeindelebens, sondern weil er den Willen seines Herrn getan hat, wobei möglicherweise auch das Scheitern in der Landeskirche seinen ewigen Lohn erhalten wird. Jesus sagt ja:

Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles wider euch, so sie daran lügen. Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnt werden.
(Mt 5,11+12)

Geschmäht und verfolgt werden kann ein Pfarrer auch durch seinen eigenen Kirchenvorstand und seine eigene Kirchenleitung. Aber auch dafür gilt gewiß der von Jesus versprochene Lohn.

 

 

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