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3.

Entsakralisierung

Ein modernes Schlagwort

ein altes Problem seit Zwingli und Calvin

 

Das Kultisch-Sakrale in der Bibel

Auf die überragende Heiligkeit und Majestät Gottes reagiert der Mensch mit Erschrecken, Bestürzung und allergrößter Ehrfurcht in seinem Herzen. Diese tiefe Regung seiner Seele findet ihren Ausdruck selbstverständlich auch in der Körpersprache. Man kann das an vielen Beispielen in der Bibel zeigen. So fallen oder knien die Menschen vor Gott nieder, wenn sie sich ihm zum Gebet nahen wollen. Das tun nicht nur Abraham, Mose, Josua, Hiob, Salomo, Hesekiel, Daniel und viele andere im Alten Testament1, auch die Apostel und ihre Begleiter werfen sich vor Jesus nieder oder knien sich zum Gebet auf die Erde2. Sogar Jesus ist im Garten Gethsemane vor seinem himmlischen Vater zum Gebet niedergefallen3.

Gelegentlich wird in der Bibel berichtet, daß ein Mensch auch vor einem Mitmenschen gekniet hat, wenn es um eine wichtige Bitte ging - beispielsweise Bathseba vor David (1.Kg 1,31). Man kann dieses Knien vor einem Menschen ein „profanes“ Knien nennen. Kniet der Mensch dagegen vor Gott, so handelt es sich um ein „kultisches“ Knien oder um ein „sakrales“ Knien. Man kann alle Dinge oder Handlungen, die im Zusammenhang mit der Ehre und Anbetung Gottes stehen, „sakral“ nennen. Der Tempel ist ein „Sakralbau“; bei der Tempelmusik oder bei der Kirchenmusik handelt es sich um geistliche Musik oder um „sakrale“ Musik. Geht es um ein Kunstwerk, das zur Ehre Gottes für die Ausschmückung des Tempels oder einer Kirche angefertigt wurde, handelt es sich um „sakrale“ Kunst.

Im Gesetz des Mose verlangt Gott, daß die Stiftshütte (bzw der Tempel), die Altäre und die Altargeräte wie auch die Priester mit heiligem Öl geweiht werden, wodurch sie eine besondere Heiligkeit bzw eine hohe Sakralität erhalten. Das Innerste des Tempels ist nach der Tempelweihe so heilig, daß nur der Priester den Tempel bzw nur der Hohepriester das „Allerheiligste“ im Tempel betreten darf. Manche Kultgegenstände sind so hochsakral, daß niemand außer dem Priester sie berühren darf. Für ihren Transport gelten besondere Sicherheitsvorschriften (4.Mose 4,1-20 / vgl 2.Sam 4,1-20).

Wie wir das schon beim Niederfallen oder Knien sahen, gibt es keinen prinzipiellen Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Bund. Auch sonst gibt es keinen Grund für die heute immer wieder erhobene Behauptung, mit der Ankunft Jesu auf dieser Erde sei die ganze Schöpfung gleichmäßig geheiligt und das hieße, daß der Unterschied zwischen sakral und profan überhaupt aufgehoben wäre.

Das Gegenteil ist richtig: Jesus hat bestätigt, daß der Tempel auch damals noch - nach seiner Ankunft auf dieser Erde - so heilig war, daß er das Gold, mit dem er vergoldet war, auf ganz besondere Weise geheiligt hat (Mt 23,17). Da ist ferner die einzige Geschichte, in der berichtet wird, daß Jesus Gewalt angewendet hat, nämlich die Geschichte von der Tempelreinigung. Sie ist - vor allem in der Markusüberlieferung, nach der Jesus nicht zugelassen hat, daß jemand irgend etwas durch den Tempel getragen hat (Mk 11,16) - überhaupt nur zu verstehen, wenn man voraussetzt, daß Jesus den Tempel nach wie vor als heiligen Ort angesehen hat. Für die Zukunft hat Jesus dann prophezeit, daß es einen „Greuel der Verwüstung“ geben werde „an der heiligen Stätte“ (Mt 24,15). Damit hat er bekräftigt, daß selbst in ferner Zukunft der jüdische Tempelplatz noch ein sakraler Ort sein wird.

Wenn Jesus außerdem die Apostel gewarnt hat, daß sie „das Heilige nicht den Hunden geben“ sollten (Mt 7,6), so ist damit selbstverständlich und klar zum Ausdruck gebracht, daß es weiterhin besonders geheiligte Dinge gibt. Wir werden dabei in erster Linie an das heilige Abendmahl zu denken haben - aber sicher auch an andere heilige Dinge.

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Martin Luther hat einmal erklärt, das mosaische Kultgesetz sei so etwas wie „der Juden Sachsenspiegel“4. Ich halte das für eine unglückliche Äußerung. Das gesamte mosaische Kultgesetz ist von Jesus in seinem Kern bestätigt worden, wenn er sagt:

Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.
(Mt 5,17)

Die „Erfüllung“ des gesamten mosaischen Gesetzes durch Jesus besteht ja in mancherlei Veränderungen und Verschärfungen. Das ist beim mosaischen Kultgesetz ebenso der Fall wie bei seinem Sittengesetz. Wird im mosaischen Sittengesetz nur der krasse Ehebruch mit Strafe bedroht, so sind es bei Jesus schon die unanständigen Gedanken. Droht das Gesetz des Mose mit der Todesstrafe, so droht die Bergpredigt mit der Hölle (Mt 5,27-30).

In ähnlicher Weise ist auch die Neuinterpretierung der mosaischen Kultgesetze durch Jesus zu verstehen. Hatte der Hohepriester des alten Bundes das Volk mit erhobenen Händen zu segnen, so hat auch Jesus, der Hohepriester des neuen Bundes, bei seiner Himmelfahrt den Segen mit erhobenen Händen erteilt (Lk 24,50). Vielleicht hat er dabei eine andere Segensformel benutzt, in jedem Fall waren die Segensgüter verschieden. Im alttestamentlichen Kultgesetz ging es mehr um ein diesseitig eingefärbtes Heil, im neuen Segen geht es um größere, unsichtbar geistliche Güter.

Hatte das alte Kultgesetz befohlen, ständig neue Tiere zu opfern, so hat Jesus an die Stelle der Tiere sein eigenes einmaliges Selbstopfer gesetzt, dessen Gegenwärtigkeit allerdings im Abendmahl immer wieder realpraesent wird. Auch hier ist die Gabe um ein vielfaches größer, heiliger und sakraler. Aber auch die Drohung vor unwürdigem Genuß ist schärfer. Mose droht immer nur die irdische Todesstrafe an, Paulus dagegen droht mit Gottes ewigem Gericht:

Denn welcher also isset und trinket, daß er nicht unterscheidet den Leib des Herrn, der isset und trinket sich selber zum Gericht.
(1.Kor 11,29)

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Trotz mancher Änderungen hat sich die neutestamentliche Urgemeinde offenbar in kultischer Kontinuität zum alten Bund betrachtet und dementsprechend Riten und Gebräuche gepflegt, die dem Gebet und dem Gottesdienst ein angemessenes sakrales Gepräge geben sollten.

Das Knien zum Gebet habe ich ja schon erwähnt. Darüber hinaus fordert Paulus nach alttestamentlichem Vorbild für das Gebet auch ein Aufheben der Hände (1.Tim 2,8 / vgl z.B. 2.Mose 9,29+33 / 1.Kg 8,22 / Esr 9,5); und das Abendmahl wurde auf einem Altar gefeiert, den Paulus nach alttestamentlichem Vorbild als „Tisch des Herrn“ bezeichnet hat (1.Kor 10,21 / vgl Mal 1,7+12 / Hebr 13,10).

So wie Samuel - wahrscheinlich nach einer ungeschriebenen Vorschrift des alten Bundes - das Opfer segnete (1.Sam 9,13), so gehört auch nach Paulus zum Abendmahl ein Segen (1.Kor 10,16). Wie im alten Bund gilt auch im neuen Bund die Regel:

... ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung.
(Hebr 9,22)

Ebenso gilt die Segensregel unverändert fort:

Nun ist´s ohn alles Widersprechen so, daß das Geringere von dem Höheren gesegnet wird.
(Hebr 7,7)

Und ähnlich wie im alten Bund der Priester zum Amtsantritt gewaschen und gesalbt werden mußte (2.Mose 29,4+7), wurde in der neutestamentlichen Gemeinde jeder einzelne Christ durch die heilige Taufe gewaschen und durch eine heilige Salbung gesalbt (2.Kor 1,21 / 1.Joh 2,20+27)5.

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Leider schweigt das Neue Testament über viele kultische Vorschriften und Gebräuche. Es findet sich nicht einmal eine genaue Anleitung zum Vollzug der Taufe. Wir müssen daher manches aus dem Vollzug der späteren Kirche erschließen - mit manchen Unsicherheiten, die sich daraus ergeben; aber so viel ist doch eindeutig klar: Nirgends ist zu sehen, daß Jesus das alttestamentliche Kultgesetz aufgehoben hat. Im Gegenteil: Er bekundet seine Absicht, auch das alte Kultgesetz zu „erfüllen“, das heißt: zu transformieren und mit größeren Heilsgütern zu versehen. Dabei behält das Kultische offenbar seine grundsätzliche Bedeutung. Von irgendeiner Aufhebung des Kultischen oder Sakralen kann weder bei Jesus noch bei den Aposteln die Rede sein.

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Von den vielen rituellen Bräuchen, durch die die alte Kirche den sakralen Charakter ihrer Gottesdienste unterstrichen hat, möchte ich nur einen erwähnen, der mir besonders am Herzen liegt. Die alte Kirche hat die heiligen Lesungen mit Rezitationsgesang vorgetragen, wie man das schon bei Augustin nachlesen kann6. Ich persönlich kann mich nicht damit anfreunden, die Bibel vor einer Lesung zu küssen. Mir scheint, daß der Kuß entweder nur kurz und angedeutet, also nicht ganz echt sein kann, oder daß er das Papier beschädigen muß. Das laute Singen der Lesung hebt jedoch angemessen und besonders deutlich hervor, daß es sich hier um etwas ganz Besonderes handelt - nicht um eine normale Lesung und schon gar nicht um einen Text, den man historisch-kritisch zerpflücken dürfte. Nein, hier geht es um etwas Hochsakrales: um das Wort Gottes! So halte ich es auch für besonders gut, daß Luther sich um biblische Rezitationstöne gekümmert hat, die der Satzmelodie der deutschen Sprache angemessen sind.

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Nun ist es im Laufe der alten und mittelalterlichen Kirchengeschichte allerdings zu einer solchen Überfülle gottesdienstlicher Riten gekommen, daß sich daraus als Pendelrückschlag - neben anderen Ursachen - das Problem der Entsakralisierung ergeben hat.

 

Die Überfülle späterer Riten und das Problem der Entsakralisierung

Im Jahr 1963 hat das 2.Vatikanische Konzil beschlossen, den katholischen Gottesdienst zu reformieren. Neben anderen Reformen sollte auch das Übermaß äußerlicher Riten auf ein angemessenes Maß zurückgeführt werden, damit die eigentliche Sache des Gottesdienstes deutlicher erkennbar würde. In der „Konstitution über die heilige Liturgie“ heißt es:

Die Riten mögen den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen sein.
(Const 34)

Hier ist wohlgemerkt nicht von „möglichst großer Schlichtheit“ die Rede, sondern vom „Glanz edler Einfachheit“. Es soll zwar eine Verminderung des vielfach überladenen Ritus vorgenommen werden, aber im Endergebnis soll der Gottesdienst immer noch einen edlen rituellen Glanz ausstrahlen. Das Problem, um das es dabei geht, möchte ich an zwei Beispielen erläutern:

Die verschiedenen Weihen der römischen Kirche waren in der Anfangszeit des kirchlichen Altertums zwar würdig und sakral, aber relativ kurz und knapp. Diese rituelle Knappheit hat im frühen Mittelalter den gallischen und germanischen Katholiken nicht gefallen, und sie haben die römischen Weiheriten mit verschiedenen Salbungen und äußerlichen Zeichenhandlungen angereichert, die dann um das Jahr 1000 auch in Rom übernommen worden sind7. Das hatte zur Folge, daß die äußerlichen Zeichen sich so stark in den Vordergrund geschoben haben, daß sie sogar die mittelalterliche Weihetheologie beeinflußt haben. So war nach der meistverbreiteten mittelalterlichen Theorie bei der Priesterweihe nicht die unter Handauflegung gebetete Weihepräfation, sondern die Berührung des Kelches der entscheidende Augenblick, in dem sich die Weihe vollzog. (Bei der Ostiarierweihe war es nach dieser Anschauung die Berührung des Kirchenschlüssels, und ähnlich war es auch bei allen anderen Weihen.)

Hier hat also ein Übermaß äußerer Riten den eigentlichen theologischen Kern der Weihehandlungen überwuchert. Erst Pius XII. hat ja bekanntlich autoritativ entschieden, daß es nicht die Berührung des Kelches, sondern die Handauflegung und das entsprechende Gebet sei, durch die sich die Gültigkeit der Weihe vollziehe.

Ein anderes Beispiel: In der alten tridentinischen Messe hatte der Priester nicht nur zur Konsekration, sondern auch davor und danach mehrfach das Kreuz über Brot und Wein zu schlagen. Diese vielen Kreuze waren verwirrend. Wozu wurde noch nach der Wandlung fünfzehnmal das Kreuz über den gewandelten Elementen geschlagen? War der Leib Jesu doch noch nicht endgültig gegenwärtig, und mußte die Konsekration durch zusätzliche Segenskreuze noch irgendwie ergänzt werden? Oder erteilte der Priester dem gegenwärtigen Christus seinen priesterlichen Segen - und das gleich mehrfach? Auch hier konnte das Übermaß von Kreuzeszeichen die eigentlich entscheidenden Segenszeichen bei der Konsekration überwuchern und in Frage stellen. Hier hat die nach dem 2. Vatikanum vollzogene Liturgiereform durch drastische Reduzierung eine sinnvolle Klarheit geschaffen: Brot und Wein werden während der Messe nur einmal durch ein Kreuzeszeichen gesegnet - allerdings bei der Epiklese und nicht wie in der lutherischen Agende bei den Einsetzungsworten, was jedoch kein großes theologisches Problem ist.

Es gibt also eine gutgemeinte Überdramatisierung des Gottesdienstes. Um es bildlich auszudrücken: Wenn ein Essen zu scharf gewürzt ist, wird es ungenießbar. Das spricht nicht gegen den Gebrauch von Gewürzen, sondern nur gegen einen zu ausgiebigen Gebrauch. Genauso verhält es sich mit den gottesdienstlichen Riten. Dem 2. Vatikanum ging es offenbar um ein gesundes Maß, nicht um eine generelle Entsakralisierung des Gottesdienstes.

Nun ist es jedoch eine allgemeine Erfahrung, daß bei tiefgreifenden Reformen die Revolutionäre Morgenluft wittern und die Reform zum Umsturz nutzen wollen. Das haben schon die Schwärmer während der lutherischen Reformation versucht; so ist es leider bei der russischen Revolution gekommen, wo die gemäßigten Sozialdemokraten von den radikalen Kommunisten abgelöst wurden; und so ähnlich haben sich auch die Dinge während der französischen Revolution entwickelt.

In der katholischen nachkonziliaren Kirche haben die Radikalen versucht, eine grundsätzliche Entsakralisierung von Amt und Kultus zu erreichen. In dieser Zeit ist der moderne Begriff „Entsakralisierung“ zum heiß umkämpften Schlagwort geworden. Das heißt: der Begriff „Entsakralisierung“ tritt in der Zeit nach dem 2. Vatikanum als ein neues Schlagwort massiv in Erscheinung; der Sache selber begegnen wir jedoch schon viel früher in der evangelischen Theologie.

Der Einfluß der evangelischen Theologie auf die katholische Diskussion ist sehr deutlich daran ablesbar, daß von den katholischen Autoren immer wieder auf evangelische Theologen verwiesen wird. Heribert Mühlen weist in der Einleitung seines radikalen Werkes „Entsakralisierung“ vor allem auf Bonhoeffer hin. Lengeling verweist in seinem Bericht „Sakral - profan“ auf Bonhoeffer, Barth, Ebeling, Gogarten, Robinson („Honest to God“) und andere. Norbert Schiffers erwähnt Robinson, Barth, Bultmann, Bonhoeffer, Cox und Sölle8. Weitere Beispiele lassen sich anfügen.

In der antiliturgischen Bewegung der nachkonziliaren Kirche kommen also zwei Elemente zusammen: Einmal die Abkehr vom „Hochkultischen“ bzw vom „großkultischen“ Übermaß9 und zum anderen der Einfluß prinzipiell antiliturgischer protestantischer Theologie. Wenn die Zeichen nicht trügen, ist die gegenwärtige katholische Kirche jedoch dabei, die von den Radikalen geforderte „Entsakralisierung“ abzuwehren. Sie wird wohl den Forderungen des 2. Vatikanums entsprechend, das Kultische bewahren - wenn auch unter mancherlei Verlusten.

Die antiliturgischen Tendenzen in der evangelischen Theologie werden jedoch bleiben. Gegen sie rührt sich kein nennenswerter Widerspruch. Im Gegenteil: Die evangelischen Kirchenleitungen unterstützen offenbar die Tendenz zur Entsakralisierung. So ist mir beispielsweise von meiner Kirchenleitung eine Broschüre unter dem Titel „Religionen, Religiosität und christlicher Glaube“ zugesandt worden, die, herausgegeben von der VELKD und der Arnoldshainer Konferenz, behauptet, das Christentum sei nach dem Willen Jesu ursprünglich unsakral gewesen10.

Ich komme auf dieses Buch noch zurück. Zunächst wenden wir uns jedoch der Reformation zu, denn dort beginnt das Problem der Entsakralisierung.

 

Luther

Auch Martin Luther hat vor dem Problem des übertriebenen liturgischen Rankenwerks der katholischen Riten gestanden, das den eigentlichen Kern des christlichen Gottesdienstes, Predigt und Abendmahl - mit Einschluß der Gemeindekommunion! - liturgisch zu überwuchern und theologisch umzuinterpretieren drohte.

In diesem Zusammenhang hat sich Luther auch Gedanken über einen Gottesdienst im kleinsten Kreis der wirklich Gläubigen gemacht, bei dem Luther anscheinend auf jeden Gesang aber auch sonst offenbar auf alle irgendwie unnötigen Riten verzichten wollte11. In diesem Gottesdienst sollte der Pastor offenbar ohne Amtsgewänder amtieren und das Abendmahl vermutlich auf einem profanen Tisch einsetzen12. In einem solchen Gottesdienst für glühendgläubige Christen würde es nur um die zentralsten Dinge des Gottesdienstes gehen, um das gesprochene Gebet, Predigt und Abendmahl. Allerdings ganz deutlich drückt sich Luther in diesem Punkt nicht aus, es sind ja nur einige kurz hingeworfene Sätze, die darüber in seiner „Deutschen Messe“ stehen13.

Nun weist Werner Elert allerdings darauf hin, daß auch dieser Gottesdienst im kleinen Kreis nicht ganz ritenfrei hätte sein können. Luther habe ja in der „Deutschen Messe“ zu bedenken gegeben, daß es dem biblischen Vorbild entspräche, wenn man das konsekrierte Brot sofort austeilte und dann erst den Kelch konsekrierte und austeilte. Wenn Luther also eine rituelle Konsekration nach biblischem Vorbild für notwendig erachtet habe, würde er auch bei den von ihm als erstrebenswert bezeichneten Hausgottesdiensten gewiß nicht auf eine rituelle Konsekration verzichtet haben14.

Wenn man zu diesen Überlegungen noch hinzunimmt, daß Luther in seinen Tischreden einmal gesagt hat, daß er sich auch bei einer von ihm theologisch abgelehnten katholischen Opfermesse vor dem Sakrament niederknien und mit erhobenen Händen anbeten würde15, so kann man wohl annehmen, daß auch der von ihm befürwortete Gottesdienst im kleinsten Kreis zwar weitestgehend unliturgisch sein sollte, aber doch nicht ganz und gar.

Der wahrscheinliche Hintergrund dieser Überlegungen war offenbar nicht, daß Luther einen prinzipiell unsakralen Gottesdienst wünschte, sondern es lag ihm offenbar daran, den Gottesdienst für den gläubigen Gemeindekern dem ersten Abendmahl Jesu so weit wie möglich anzugleichen. Dabei hat es Luther wohl als selbstverständlich vorausgesetzt, daß auch Jesus kein besonderes Gewand angehabt und keinen geweihten Altar zur Verfügung gehabt habe - beides Annahmen, die ich persönlich anzweifeln möchte. (Es spricht m. E. viel dafür, daß Jesus sich zum Einzug in Jerusalem ein besonders schönes, seinen messianischen Ansprüchen entsprechendes Gewand angezogen hat, das er auch bei seiner Verhaftung noch getragen hat, und um das die Soldaten unter dem Kreuz gewürfelt haben. Mit diesem besonderen Gewand wird er wohl auch beim Abendmahl bekleidet gewesen sein. Auch über einen von Jesus selber geweihten Altartisch kann man sich positive Gedanken machen, wie ich das in meinem Aufsatz über die urchristlichen Altäre getan habe.)

Nun hat Luther jedoch im Gegensatz zu den schlichten Gottesdiensten im kleinen Kreis der Kerngemeinde liturgisch reiche Gottesdienste für den missionarisch-öffentlichen Gottesdienst der Volkskirche gefordert. Zu diesen Gottesdiensten für die kirchliche Jugend und die einfältigen Normalchristen schreibt Luther, wiederum in seiner „Deutschen Messe“:

Um solcher (Einfältigen und des jungen Volks) willen muß man lesen, singen, predigen, schreiben und dichten, und wo es hülfreich und förderlich dazu wäre, wollte ich lassen mit allen Glocken dazu läuten und mit allen Orgeln pfeifen und alles klingen lassen, was klingen könnte.
(Walch210,227)

Man könnte diese Worte so verstehen, als ob es Luther bei den liturgischen Formen des öffentlichen Gottesdienstes gar nicht um die Ehre Gottes, sondern nur um eine Missionsmethode gegangen wäre. Aber so ist diese Äußerung sicher nicht gemeint. Luther befürwortete, wie wir sehen werden, auch um der Ehre Gottes willen liturgische Formen, sie sind ihm allerdings vergleichsweise unwichtig, denn die größte Ehre erweist man Gott ja nicht mit äußeren Formen, sondern mit einem gläubigen, demütigen Herzen.

Nun hat Luther den theoretischen Gedanken eines unliturgischen Gottesdienstes für die wahrhaft Gläubigen später überhaupt nicht weiterverfolgt. (Vielleicht hat er selber eingesehen, daß er damit eine recht problematische Überlegung angestoßen hat.) Er hat aber praktisch vieles getan, um den öffentlichen Gottesdienst mit einer angemessenen, hohen Sakralität auszugestalten. In erster Linie ist hier seine deutsche Bibelübersetzung zu nennen, die in Anlehnung an die mitteldeutsche Kanzleisprache unwidersprochener Weise ein hohes Übersetzungskunstwerk darstellt. Darüber hinaus hat Luther, worauf ich schon hingewiesen habe, einen bis heute überzeugenden Evangelienton und einen besonders feierlichen Epistelton geschaffen, damit das Wort Gottes in den Kirchen würdig und feierlich vorgetragen werden konnte.

Er hat ferner für den gottesdienstlichen Gemeindegesang eine ganze Reihe von Liedern geschaffen, die heute noch gesungen werden und sogar in das katholische Gotteslob Eingang gefunden haben. Er hat Zeit seines Lebens die Elevation vollzogen und sehr bedauert, daß sie ohne Rücksprache mit ihm in der Stadtkirche zu Wittenberg abgeschafft wurde16.

Für den Bereich der privaten Frömmigkeit wollte Luther die sakrale Zeremonie des Sichbekreuzigens erhalten wissen. So empfiehlt er im Kleinen Katechismus, den Morgensegen wie folgt zu beginnen:

Des Morgens, so du aus dem Bette fährest, sollst du dich segnen mit dem heiligen Kreuz und sagen: Das walte GOtt Vater, Sohn, Heiliger Geist ...
(Walch210,18)

Die gleiche Anweisung gilt auch für den Abendsegen.

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Luther hat also in seiner „Deutschen Messe“ mit dem Gedanken eines weitgehend unliturgischen Gottesdienstes gespielt. Außer einigen vagen Andeutungen hat er dazu jedoch keine genauen Angaben gemacht. Es ist also nicht klar, wie konsequent der Reformator in diesen besonderen Gottesdiensten auf das Liturgische verzichten wollte. Seine Äußerungen zum öffentlichen Gottesdienst und zum Morgen- und Abendsegen sowie sein künstlerisches Engagement für diesen Gottesdienst zeigen jedoch, daß er keineswegs grundsätzlich antiliturgisch oder antisakral war.

 

Zwingli

Am Anfang der radikalen Entsakralisierung des christlichen Kultus steht Ulrich Zwingli. Im Unterschied zu Luther hat er das kultische Element des Gottesdienstes ganz bewußt und tiefgreifend zerstört.

Einige der zwinglianischen Kultreformen kann man durchaus nachvollziehen. Wenn er beispielsweise die konsequente Entfernung der Heiligenbilder aus der Kirche betrieben hat, um dem Volk die Möglichkeit einer entarteten Heiligenverehrung zu nehmen, kann ich das verstehen.

Auch wenn auf seine Predigt hin die Orgeln und der liturgische Kunstgesang abgeschafft wurden17, kann ich das bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Die Erfahrung zeigt ja, daß es tatsächlich häufig vorkommt, daß die Kirchenmusik zu weltlichen Konzerten und zu rein weltlichem Musikgenuß verkommt.

Bei den meisten Eingriffen Zwinglis in den Kultus fehlt mir aber jedes Verständnis, und seine wenig überzeugenden Begründungen legen den Verdacht nahe, daß im Hintergrund ein ganz anderes Motiv steht, als das, was er mit seinen Worten zum Ausdruck bringt.

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Zwinglis Änderungen waren tiefgreifend. Nicht nur die Orgel und die kunstvolle Gregorianik, sondern überhaupt jegliche Art von Gesang wurde in den Zürcher Gottesdiensten abgeschafft. Das fällt um so mehr auf, als Zwingli der musikalischte aller Reformatoren war. Er konnte viele Instrumente spielen und hat sogar Lieder komponiert18.

Alle  gottesdienstlichen  Zeremonien  hat  er  insgesamt  als  „zünselwerck“  beschimpft19. Das Wort „zünselwerck“ ist offensichtlich als „Zunder“ in das Hochdeutsche zu übersetzen20.  Wahrscheinlich hat Zwingli hier den mittelalterlichen Begriff des „fomes peccati“ aufgenommen und abgewandelt. Nach katholischer Lehre bleibt ja im Getauften der „fomes peccati“, der „Zündstoff der Sünde“, also eine gewisse Bereitschaft zur Sünde, zurück, gegen die der Getaufte ankämpfen muß, um sich in seinem Christsein zu bewähren21. Wenn Zwingli diesen Begriff auf die kirchlichen Riten anwendet, erklärt er sie also zur ständigen Anfechtung und zur Ursache vieler Sünden - wohl deshalb, weil nach Zwinglis Meinung die rein äußerlichen Riten den Christen von der ungeteilten Aufmerksamkeit gegenüber dem Eigentlichen abhalten.

Nun gibt Zwingli zwar zu, daß die Zeremonien im Alten Testament von Gott selber befohlen worden sind, aber er behauptet, im Neuen Testament seien sie „ein wahre Antichristy“, ein wahres Antichristentum, da man sich durch sie über Gott erhebe22.

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Zwingli fordert für seine Art von Abendmahlsfeier einen Tisch an der Stelle, wo bis dahin der Altar stand23. 1526 wurden im Großmünster in Zürich alle sechs Altäre abgerissen24.

Damit fiel auch das Altarkreuz (und) der Gebrauch von Kerzen ...
(Schmidt-Clausing 74)

In diesem Zusammenhang sollte man auch bedenken, daß das Zerstören der ungeliebten Altäre im Großmünster zu Zürich ein unrechtmäßiger Akt war. Diese Altäre gehörten weder Zwingli, noch dem Rat der Stadt, noch dem durch Zwinglis Predigten aufgeputschten Volk. Sie waren vielmehr Eigentum der katholischen Kirche. Gleich am nächsten Morgen hat Zwingli eine Predigt gehalten und angesichts der noch herumliegenden Trümmer die Zerstörung der Altäre und Heiligenbilder gerechtfertigt.

An die Stelle des Altares wurde nun viermal im Jahr ein Tisch in die Kirche getragen, damit darauf ein zwinglianisches Abendmahl gefeiert werden konnte. Der Pfarrer sollte hinter dem Tisch stehen und versus populum agieren.

Zwingli lehnte rigoros jede „Pracht“ ab. Das Abendmahlsgeschirr sollte daher aus Holz sein, sogar die Becher25:

Die schüßlen unnd bächer sind höltzin, damit der bracht nit wider kömme.

Zwingli verteidigte diese Anordnung gegen den möglichen Vorwurf, das sei doch verächtlich, unrein (= unsakral!) und ungebräuchlich26:

Da ist gar nüt verachtlichs, unrein und unbrüchlich, aber alls one pracht und hochfahrt. Da ist kein syden, gold noch silber, doch alles suber und rein.

Nach Verlesung der Einsetzungsworte wurde das Brot in den hölzernen Schüsseln zu den Gemeindegliedern getragen, damit sich jeder das Brot selber nehmen oder - falls er das lieber wollte - vom Kirchendiener geben lassen konnte. Dabei legte Zwingli Wert auf die Feststellung, daß niemand sich zum Essen des Brotes von seinem Platz fortbewegen mußte27.

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Zwingli lehnte jeden heiligen Ort und jede heilige Zeit ab und bezweifelte nachdrücklich

Ob got an einem ort gnädiger sye weder an eim andren. Ob er zu einer zyt gnädiger sye weder zu der andren28.

Zur liturgischen Zeit erklärt er: Falls die Ernte es erfordere, könne der Gottesdienst vom Sonntag weg auf einen anderen Tag verlegt werden29.

Zum liturgischen Raum sagt er30:

daß die närrisch handelnd, so die gnad gottes an besundere stett bindend ... ja nit allein närrisch, sunder ouch antchristenlich; denn sy machend die gnad gottes an einem ort bereiter und wolfeiler dann am andren, welchs nüt anderst ist weder got inschließen und anbinden ...

Auffallend ist der radikale Ton, mit dem Zwingli seine antisakralen Überzeugungen vorträgt. Hier ist ja schon zum zweiten Mal vom Antichristlichen die Rede.

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Wir fragen nun: Wie steht es mit seinen Begründungen für die Ablehnung so vieler sakraler Elemente des christlichen Kultus? Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, die ganze vielbändige Hinterlassenschaft Zwinglis durchzuarbeiten, aber da, wo ich auf irgendeine Begründung gestoßen bin, hat sie mir nicht eingeleuchtet.

Auch das Neue Testament kennt ja, wie wir schon gesehen haben, Zeremonien und Riten. So setzt Paulus ganz selbstverständlich voraus, daß die Männer mit erhobenen Händen beten. Dieses Händeaufheben wird von Zwingli jedoch spiritualisiert, er schreibt: „das bedeutet nichts anderes als: Sich der Unschuld befleißigen“31.

Zur Frage der Sonntagsheiligung verweist Zwingli auf das Gebot der Nächstenliebe. Der Sonntag sei ja nur zum Wohl und zum Ausruhen des Nächsten eingesetzt32. Von der Ehre Gottes ist in diesem Zusammenhang keine Rede.

Gegen den liturgischen Gesang in der Kirche erklärt er33:

Daby falt aber zum ersten alles das bladren hin, das man in den templen luygt oder mönet; denn wenn sich das menschlich gmut mit Got berichten wil, so ist es gern allein, als Christus wol gewüßt hat, und darumb heimlich ort anzeigt, darin man in der still mit dem himelschen vatter reden könde; sprechende: Gang in din kämerlin, so du betten wilt, und bitt da dinen vatter in einem gheim; ... Darumb aber das prulen vor den menschen ein lutre glychßnery sin erkent wirt.

Ich möchte diese erstaunliche Äußerung noch einmal in modernem Deutsch wiedergeben, damit die Argumentationsweise des Zürcher Reformators ganz deutlich wird34:

Dabei fällt zum ersten alles Plärren hin, das man in den Kirchen laut oder leise singt; denn wenn sich das Gemüt mit Gott unterreden will, so ist es gern allein, wie Christus wohl gewußt hat und darum einen heimlichen Ort anzeigt, wo man still mit dem himmlischen Vater reden kann, indem er gesagt hat: Gehe in dein Kämmerlein, wenn du beten willst, und bitte da deinen Vater im Verborgenen; ... Darum aber wird das Brüllen vor den Menschen als eine reine Heuchelei erkannt.

Was soll man dazu sagen, daß Zwingli Mt 6,6 gegen das gesungene Gebet in der Kirche ins Feld führt? Wenn er nicht versteht, daß Jesus in der Bergpredigt vom persönlich-privaten Gebet spricht, wenn Zwingli diese Stelle also auf den Gottesdienst anwendet, müßte er ja jedes öffentliche Gebet in der Kirche verbieten - vor allem jedes gesprochene, denn Mt 6,6 redet ja nicht vom gesungenen, sondern vom gesprochenen Gebet. Hier stellt sich die Frage: Wie kommt Zwingli zu einer so unsinnigen Begründung?

Bei einer anderen Gelegenheit begründet er seine Ablehnung des gottesdienstlichen Gesanges wieder anders. In einer Predigt erklärt er35,

daß in dem Geist und in der Warheit Gott anbätten im das aller gevelligest Gsang ist, nit das mit Jolen ...

Gott im Geist und in der Wahrheit anzubeten, ist also der gottgefälligste Gesang, nicht das laute gottesdienstliche Singen. Hier wird Joh 4,24 als Begründung herangezogen. Hat diese Stelle irgend etwas mit der Frage zu tun, ob ein Gebet nur gesprochen, nicht aber gesungen werden dürfe? Das ist nicht der Fall. Unwahrhaftige Gebete können genauso gut gesprochen wie gesungen werden; und wer könnte es wagen, ein gesungenes Vaterunser als unwahrhaftig und ungeistlich zu bezeichnen? Auch Joh 4,24 ist also eine untaugliche Begründung gegen den Kirchengesang.

Übrigens berichtet die Bibel, daß auch Jesus mit den Aposteln am Gründonnerstagabend Psalmgebete im Sprechgesang gesungen hat. In der alten Lutherübersetzung  heißt  es,  Jesus  habe  mit  den  Aposteln  „den  Lobgesang  gesprochen“, gemeint ist jedoch ein kantilierender Sprechgesang der Psalmen 115-118, mit denen die jüdische Passafeier schloß. Die neueste Lutherbibel übersetzt also zu Recht:

Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.
(Mt 26,30 = Mk 14,26)

Hat sich also auch Jesus beim Kantilieren des Psalmgebetes des Johlens und der Gleisnerei schuldig gemacht?

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Gegen besondere, geheiligte Orte hat Zwingli, wie wir eben schon hörten, eingewandt, daß man Gott nicht einschließen und anbinden könne. Das ist ein demagogisches Argument, das an der Sache vorbeigeht. Wenn Gott seine besondere Gnade und Anwesenheit selber an den geweihten alttestamentlichen Tempel gebunden hat, und wenn er auch der Kirche die entsprechende Vollmacht gegeben haben sollte, in ähnlicher Weise Kirchen zu weihen - was ich auf Grund des Wortes „Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21) als sicher annehmen möchte - dann ist die Zurückweisung dieser göttlichen Selbstbindung eine schwere Sünde.

Die Frage ist also, ob Zwingli nicht imstande war, die gnädige Selbstbindung Gottes, wie sie uns im Alten Testament deutlich bezeugt wird, theologisch zu verstehen und dann auch für den neuen Bund - wenigstens theoretisch - in Betracht zu ziehen, so daß er nicht gleich mit dem Vorwurf des Antichristlichen kommen mußte? Auch hier muß ja gelten, daß die Gnadengüter des neuen Bundes größer und vielfältiger sein müssen als die des alten Bundes!

Genauso eindeutig ist auch, daß die Bibel durchaus besondere, geheiligte Zeiten kennt. So ist ja der Sabbat schon von Anfang an von Gott gesegnet (1.Mose 2,3). Nun ist es doch einleuchtend - und es steht ja auch in der Bibel, daß Gott demjenigen ungnädig ist, der einen von ihm gesegneten Tag mißachtet (4.Mose 15,32-36 / Neh 13,15-22 / Jes 56,2-7 / Hes 20,12-24). Da liegt nun aber doch die Frage nahe, ob nicht der christliche Sonntag in gleicher Weise gesegnet sein könnte wie der alttestamentliche Sabbat. Wer über diese Frage nachdenkt, wird sicher schnell zu dem Ergebnis kommen, daß der christliche Sonntag gesegneter sein muß als der jüdische Feiertag! - Jedenfalls sollte man nicht behaupten, wie Zwingli das tut, Gott sei immer und unter allen Umständen gleich gnädig - auch denen, die die von ihm geheiligten Zeiten mißachten.

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Die RGG bringt zusammenfassend die folgende Begründung für Zwinglis antiliturgische Haltung:

Singen und musizieren (ebenso wie die Bilder) sprechen nur das Sinnenhafte am Menschen an und sind darum der wahren Andacht (devotio) im Wege.
(RGG3VI,1956)

Zweifellos kann es ein Singen und Musizieren in der Kirche geben, bei dem sich das Sinnenhafte in den Vordergrund schiebt und die rechte Andacht gestört wird, aber ist das bei einer Predigt anders? Auch der Prediger auf der Kanzel kann, von fleischlicher Eitelkeit getrieben, sich selbst zelebrieren, der eigenen Gemeinde nach dem Munde reden und die theologischen Gegner durch unsachliche Polemik verunglimpfen - ganz zu schweigen von den vielen Irrlehren, die ein ungläubiger Prediger von der Kanzel verkündigen kann. Ist diese viel größere Gefahr Zwingli verborgen geblieben? Hätte er nicht konsequenterweise als erstes die Kanzel und jede christliche Predigt abschaffen müssen? Gegenüber der Gefahr einer schlechten Predigt ist doch die mißlichste Kirchenmusik eine Lappalie.

Nun geht es ja gar nicht allein um Gesang und Musik. Wozu mußten die steinernen Altäre abgebrochen, der Kruzifixus fortgeschafft, das Sonntagsgebot ausgehöhlt und nicht zuletzt das Abendmahl auch theologisch zu einem unsakralen Gedächtnismahl umgedeutet werden?

Während Luther das Kreuzeszeichen empfiehlt, lehnt Zwingli es unter Hinweis auf die Pharisäer ab, die alle ihre Werke nur tun, um von den Menschen gesehen zu werden36.  Aber müßte er dann nicht wenigstens die still für sich im Kämmerlein vollzogene Selbstbekreuzigung erlauben? Und wenn jedes Werk automatisch schlecht ist, das von anderen Menschen gesehen werden kann, fällt dann nicht auch der gesamte öffentliche Gottesdienst hin? Auch hier kann Zwinglis Begründung nicht überzeugen.

*

Übrigens ist Zwingli  nicht ganz konsequent gewesen. In seiner „Action oder bruch des nachtmals“, in jener Schrift also, in der er die Handlung und die Gebräuche der zukünftigen Abendmahlsfeier festgelegt hat, schreibt er erstaunlicherweise zwei herkömmliche Zeremonien vor. Er ordnet an, daß derjenige, der innerhalb der Feier Joh 6,47-63 vorzulesen hat, vorher das Buch küssen und daß derjenige, der das Vaterunser vorbetet, niederknien soll37.

Warum ordnet er solche Zeremonien an, die er doch sonst als „zünselwerck“ gescholten hat? Wir wissen es nicht. Wir können höchstens vermuten, daß er vielleicht denjenigen Gemeindegliedern ein ganz kleines Stück entgegenkommen wollte, die ein Abendmahl ganz ohne Zeremonien als unheilig empfunden hätten. Er sah sich ja auch so schon genötigt, sein Abendmahl gegen den möglichen Vorwurf zu verteidigen, es könne als „unrein“ angesehen werden, was wohl nach heutigem Sprachgebrauch „unsakral" und „unheilig“ heißen dürfte.

Beide Zeremonien, das Knien zum Vaterunser und der Kuß der Heiligen Schrift, sind dann später auch weggefallen, und das dürfte den radikalen Absichten des Zürcher Reformators durchaus entsprochen haben.

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Welcher Schluß ist zu ziehen aus der Tatsache, daß sich Zwingli so radikal gegen die kultische Ausgestaltung des Gottesdienstes ausgesprochen hat, daß er aber offenbar zu keiner auch nur halbwegs einleuchtenden Begründung imstande war? Es ist wahrscheinlich, daß Zwingli im Hintergrund seiner Seele von ganz anderen Dingen getrieben wurde, die er nur nicht aussprechen wollte oder deren er sich vielleicht auch gar nicht bewußt war.

Es scheint so, daß Zwingli nicht so sehr aus innerer Berufung Priester geworden ist, sondern mehr aus familiärer Tradition. Aland schreibt38:

Er ist auf »konventionelle« Weise katholischer Geistlicher geworden, der Familientradition entsprechend.

Er ist dann mehrfach am Zölibat gescheitert. Er hat mit Huren Umgang gehabt, mit einer von ihnen ein Kind gezeugt39. Die RGG schreibt dazu:

Einen Einblick in Zwinglis innere Lage kurz vor der Übersiedlung nach Zürich gibt uns ein Brief an den Zürcher Chorherrn Heinrich Utinger vom 5.12.1518. In diesem selbstsicheren, mit griechischen Zitaten und mythologischen Anspielungen geschmückten, scherzhaft sein sollenden Schreiben gibt Zwingli zu, in Glarus und Einsiedeln Umgang mit Dirnen gehabt zu haben. Wahre Schulderkenntnis fehlt ...
(RGG3VI,1954)

In Zürich hat er sich dann eine feste Konkubine genommen40.

Nun erhebt sich die Frage: Kann es sein, daß Zwingli als unsittlich lebender Priester immer wieder ein heimliches Grauen empfunden hat vor dem geweihten Altar, bei allen kirchlichen Zeremonien und vor allem bei der eucharistischen Feier? Hat ihn vielleicht dieses heimliche Grauen so lange verfolgt, bis er sich ein entsakralisiertes Christentum zurechtgelegt hat, bei dem er allem Kontakt mit dem Heiligen aus dem Wege gehen konnte?41

Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang auch noch anmerken, daß Zwingli auch nach seiner reformatorischen Wende dem Okkultismus nahegestanden hat. Er glaubte an die Seelenwanderung42 und an die Astrologie. Es war seine erklärte Absicht, Astrologie und Theologie miteinander zu versöhnen43.

Nun ist es klar, daß niemand den innersten Grund einer fremden Seele ergründen kann. Auch wir können das heute bei Zwingli nicht. Die Frage nach seinen innersten Antrieben muß also offen bleiben. Es kann aber dennoch nicht schaden, die Frage nach dem persönlichen Hintergrund für den antiliturgischen Haß des Schweizer Reformators überhaupt aufzuwerfen und eine hypothetische Vermutung zu wagen. Diese hypothetische Vermutung hilft uns zur kritischen Distanz gegenüber diesem Häresiarchen der Entsakralisierung, denn das ist Zwingli gewesen.

Ob nun unsere hypothetische Vermutung zutreffend ist oder nicht: Vor diesem Reformator sollte die Gemeinde immer wieder gewarnt werden. Das könnte gut am Reformationstag geschehen, wobei man Zwinglis und Luthers Einstellung zum Gottesdienst miteinander vergleichen könnte und mit deutlichen Worten auch auf die moralischen Schattenseiten des Schweizers hinweisen sollte.

 

Calvin

Johannes Calvin war in mancher Hinsicht ein eigenständiger Reformator, in vielen Punkten jedoch ein Nachfolger Zwinglis. Anders als Zwingli war er gegen die Astrologie und für den Gemeindegesang44. Andererseits hat er Zwinglis Entsakralisierungsbemühungen konsequent fortgeschrieben. Wie Zwingli polemisiert er scharf gegen katholische Weihen und Zeremonien. Dabei grenzen seine Ausfälle gelegentlich an das Gotteslästerliche.

Die katholischen Theologen bezeichnet er insgesamt als „Diener des Satans“45, und zur Exorzistenweihe schreibt er:

Wer hat ... von diesen erlogenen Exorzisten je sagen hören, daß sie auch nur einen einzigen Beweis für ihren Beruf abgelegt hätten? Man dichtet ihnen an, sie hätten die Vollmacht empfangen, an Geistesgestörten, Katechumenen und Besessenen die Handauflegung vorzunehmen - aber sie können die Teufel nicht davon überzeugen, daß sie mit solcher Vollmacht ausgestattet sind, und zwar nicht allein, weil die Dämonen auf ihren Befehl hin nicht weichen, sondern weil sie auch selbst von den bösen Geistern beherrscht werden! Denn man wird unter ihrer zehn kaum einen finden, der nicht von einem bösen Geist getrieben würde.
(Inst IV,19,24)

Wir wollen die Frage übergehen, ob es in der Kirchengeschichte nicht doch viele Beispiele für erfolgreiche Austreibungen durch kirchlich geweihte Exorzisten gegeben oder ob es nicht auch für die Apostel zumindest einen Fall eines erfolglosen Versuchs der Dämonenaustreibung gegeben hat. Ganz infam ist aber Calvins Behauptung, 90% der geweihten Exorzisten seien selber besessen. Da das Exorzistenamt damals eine Durchgangsstufe zum Priesteramt war, behauptet Calvin also, daß auch neun Zehntel der damaligen katholischen Pfarrer besessen waren. Dies ist leider keine einmalige Entgleisung, sondern die Institutio enthält eine große Fülle irreführender Behauptungen und unerträglicher Polemiken, so daß man die Frage, wer eigentlich besessen ist, durchaus auch anders herum stellen kann.

Zum geweihten Chrisam, der im liturgischen Sprachgebrauch auch als „Öl des Heiles“ bezeichnet wird, schreibt Calvin:

Wer hat sie denn gelehrt, im Öl das Heil zu suchen? ... Da erkläre ich aber kühnlich, und zwar nicht von mir, sondern von dem Herrn aus: Wer Öl als „Öl des Heils“ bezeichnet, der schwört das Heil, das in Christus ist, ab, der verleugnet Christus und hat keinen Teil am Reiche Gottes! Denn das Öl ist für den Bauch, und der Bauch für das Öl, und der Herr wird beide zunichte machen.
(Inst IV,19,7)

An anderer Stelle spricht er vom

Fett, das nur vom Gestank deines Atems besudelt und durch das Gemurmel deiner Worte verzaubert ist ...
(Inst IV,19,10)

Wenn man diese polemischen Worte richtig bewerten will, sollte man sich die Kernsätze der Chrisamweihe vor Augen stellen. Sie lauten:

So bitten wir Dich denn flehentlich, Herr, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott durch Ihn, Deinen Sohn, unseren Herren Jesus Christus: Heilige dieses Öl durch Deinen huldreichen Segen und mische ihm bei die Kraft des Heiligen Geistes durch die mitwirkende Macht Christi, Deines Sohnes ...

Hat es dieses Gebet zum göttlichen Vater verdient, als „Zauberei“ bezeichnet zu werden? Hier stellt sich die Frage, ob Calvin die Kraft des Heiligen Geistes einfach nur angezweifelt oder ob er den göttlichen Geist nicht grundlos gelästert hat.

Nun, wie dem auch sei, zumindest die Absicht, das heilige Öl zu entsakralisieren und zu einem Fett zu degradieren, das bestenfalls für den Bauch, also zur Körperpflege nützlich ist, ist offenkundig.

Demgegenüber ist jedoch festzuhalten: Nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift gab es zumindest zur Zeit des Alten Testaments „heiliges“, also ein durch Weihe geheiligtes Öl, und auch im Neuen Testament werden Ölsalbungen erwähnt, die keineswegs nur der Körperpflege dienten, sondern hilfreich zum Heil waren46. Daß es sich auch hierbei um ein durch Gebet geheiligtes Öl gehandelt haben dürfte, ist äußerst wahrscheinlich, denn die Heilsgüter des neuen Bundes sind ja größer und nicht kleiner als die des alten Bundes.

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Selbstverständlich bezeichnet Calvin auch die Taufwasserweihe als „Verzauberung“47. Auch das ist eine Lästerung, wenn man davon ausgehen darf, daß die Taufwasserweihe schon - wenn auch nur andeutungsweise - in der Bibel vorausgesetzt wird48.

Wie Zwingli verneint auch Calvin, daß es sakrale Zeiten und Orte gibt. Zur Frage der  Kirchengebäude erklärt er:

(Wir müssen uns) hüten, sie nicht etwa, wie das vor einigen Jahrhunderten angefangen hat, für Gottes eigentliche Wohnstätten zu halten, in denen er sein Ohr näher zu uns kommen ließe; auch sollen wir ihnen nicht irgendeine verborgene Heiligkeit andichten, die unser Gebet bei Gott geheiligter machte. Denn wir sind doch selbst Gottes wahre Tempel, und deshalb müssen wir in uns selber beten, wenn wir Gott in seinem heiligen Tempel anbeten wollen.
(Inst III,20,30)

Auch hier gilt die Frage: Haben wir in unseren Kirchen weniger, als das Volk Israel in seiner Stiftshütte und in seinem Tempel, wo Gott ganz sichtbar angezeigt hat, daß er in ihnen Wohnung genommen hatte (2.Mose 40,34+35 / 1.Kg 9,2+3)? Und wird das Kirchweihgebet der christlichen Kirche weniger erhört als das von Salomo? Wenn aber Calvin die Anwesenheit Gottes im Herzen der Gläubigen gegen seine Anwesenheit in der Kirche ausspielt, so muß man ihm entgegenhalten, daß dies nach der Bibel eine falsche Alternative ist. Schon im Alten Testament sagt Gott:

Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum und bei denen, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind ...
(Jes 57,15)

Leider sind es viele Bibelstellen, die Calvin nicht kennt oder mit Absicht übergeht, wenn sie seinen theologischen Ansichten widersprechen.

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Auch der Sonntag ist für Calvin kein für sich selber heiliger Tag. Er ist zwar „zur Wahrung der guten Sitte, der Ordnung und des Friedens in der Kirche nötig“49. Wer jedoch, wie die Juden beim Sabbat, den Sonntag für prinzipiell heiliger halte, als die anderen Wochentage, der sei „abergläubisch“50. Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob wir Christen weniger haben als das Volk Israel, das ja im Sabbat einen tatsächlich von Gott besonders gesegneten und geheiligten Tag besaß. Die klare Hervorhebung des ersten Tages der Woche im Neuen Testament und die alte kirchliche Tradition sprechen doch sehr dafür, daß es der Wille Jesu war, daß der Sonntag den Sabbat als gesegneten Feiertag ablösen sollte. Aber selbst wenn dem nicht so wäre: Ist es wirklich angemessen, den Glauben an einen von Gott gesegneten Sonntag als „abergläubisch“ zu diffamieren? Handelt es sich hier nicht höchstens um einen liebenswerten Irrtum?

Übrigens hat Calvin in Genf alle kirchlichen Feiertage abgeschafft, die nicht auf einen Sonntag fallen: Weihnachten, das Fest der Beschneidung Jesu, Mariä Verkündigung und Himmelfahrt51. Der Karfreitag wurde schon vorher in Genf nicht mehr gefeiert.

Nun ist der Verzicht auf geweihte Kirchen, geweihtes Taufwasser und alle sakralen Handlungen, bei denen heiliges Öl eine Rolle spielt, ja nicht heilsentscheidend. Nicht einmal die katholische Kirche würde das behaupten. Auch der Verlust einzelner kirchlicher Feiertage mag bedauerlich sein, aber dadurch verliert selbstverständlich niemand sein Heil. Und wenn eine christliche Glaubensgemeinschaft den Sonntag theoretisch für unsakral erklärt, praktisch aber doch bei diesem Tag bleibt, so könnte man die rein theoretische Entsakralisierung des christlichen Hauptfeiertages leicht mit Schweigen übergehen. Gefährlich wird es jedoch, wenn das Abendmahl entsakralisiert und dadurch ungültig wird. Hier gibt es ein klares Jesuswort, nach dem ein Christ - jedenfalls im Normalfall - ohne gültiges Abendmahl nicht selig wird:

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes und trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch.
(Joh 6,53)

Es geht ja nicht um irgendeine Art Feier mit Brot und Wein, sondern um das Essen und Trinken des wahren Leibes und Blutes Jesu Christi, ohne die man kein lebendiger Christ sein und ohne die man dementsprechend nicht selig werden kann.

Nun gehört zur Gültigkeit des Abendmahles aber auch ein Segen, wie der Apostel Paulus schreibt:

Der gesegnete Kelch, welchen wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi?
(1.Kor 10,16)

Calvin verzichtet jedoch auch beim Abendmahl auf jede sakrale Handlung und jeden Segen - mit weitreichenden Folgen! Den Abendmahlsgottesdienst, wie er nach seiner Vorstellung gefeiert werden soll, schildert er mit folgenden Worten:

Am Anfang sollten ... öffentliche Gebete stehen, dann sollte die Predigt gehalten werden, danach sollte der Diener (= der Pastor), nachdem Brot und Wein auf den Tisch gestellt sind, von der Stiftung des Abendmahls berichten (!) und weiterhin die Verheißungen darlegen (!), die uns in ihm hinterlassen sind; zugleich sollte er alle mit dem Bann belegen, die durch das Verbot des Herrn vom Abendmahl ausgeschlossen sind. Danach sollte man darum beten, daß der Herr uns kraft seiner Güte, in der er uns die heilige Nahrung gewährt hat, auch zu ihrem Empfang mit Glauben und herzlicher Dankbarkeit unterweisen und erziehen und uns, da wir es aus uns selbst heraus nicht sind, in seiner Barmherzigkeit solchen Mahles würdig machen möge. Dann sollte man Psalmen singen oder etwas verlesen und die Gläubigen sollten in gebührender Ordnung an dem heiligen Mahle teilhaben, wobei die Diener das Brot brächen und den Kelch reichten. Nach Beendigung des Mahles sollte eine Ermahnung stattfinden ...
(Inst IV,17,43)

Die ausführliche Darstellung, die manche Einzelheit erwähnt - den profanen Tisch, den Ausschluß der Unwürdigen, ein Gebet für die Kommunikanten, den Psalmengesang oder irgendeine Lesung, die gebührende Ordnung und eine Ermahnung nach Beendigung des Mahles - kennt keine Art von Segen oder Konsekration. Über die Stiftung des Abendmahls wird nur „berichtet“, das heißt: die Einsetzungsworte werden nicht segnend über den Elementen gesprochen. Ebenso fehlt jedes irgendwie epikletische Gebet. Mit anderen Worten: Hier wird nichts Sakrales vollzogen, es wird kein Kreuz geschlagen, und es ist nicht beabsichtigt, irgendeinen Segen über den Elementen zu vollziehen.

Zum Kreuzeszeichen schreibt Calvin in seiner Auslegung zu Mt 26,26:

Es handelt sich ... um eine lächerliche Unwissenheit der römischen Priester, wenn sie durch das Kreuzeszeichen den (vermeintlichen) Segen ausdrücken, als hätte Christus eine Beschwörungsformel angewandt.52

Zur Konsekration erklärt er53:

Und es bedeutet wirklich Zauberei, wenn man die Weihung auf das tote Element bezieht.

So kann es nicht wundern, daß Calvin auch die Elevation ablehnt. In Richtung gegen die katholischen Theologen erklärt er54:

Jetzt sollen sie hergehen und behaupten, es sei keine Abgötterei, daß sie in ihren Messen das Brot zeigen, damit es an Christi Statt angebetet werde.
(Inst IV,18,8)

Das heißt: Nach Calvins Überzeugung ist Christus im Brot nicht zugegen, daher muß er auch die Anbetung der Hostie als Abgötterei bezeichnen. Bei einem calvinistisch verstandenen Abendmahl sind also Fleisch und Blut Christi nicht vorhanden, sie werden also auch nicht empfangen. Die Gläubigen gehen also leer aus, und die schreckliche Drohung, daß sie ohne den Genuß des Fleisches und Blutes Jesu Christi nicht in den Himmel kommen, steht über ihnen.

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Gibt es auch bei Calvin irgendwelche seelischen Hintergründe, die es erklären können, warum er derartig radikal und polemisch gegen alles Sakrale, besonders jedoch gegen die Sakralität des heiligen Abendmahls vorgegangen ist? Auch für Calvin gilt, daß man in eine fremde Seele nicht hineinschauen kann, aber auch für ihn gibt es einen Punkt, an den man eine begründete Vermutung knüpfen kann: Calvin hat niemals eine Ordination empfangen; und er wußte mit Sicherheit, daß er nach dem einhelligen Glauben der bisherigen Kirche keine Vollmacht für sein Genfer Pfarramt und zur Spendung eines gültigen Abendmahls hatte55. So ist anzunehmen, daß er die Anfechtungen, die ihm durch dieses Defizit sicher zugesetzt haben, mit übersteigerten Polemiken gegen jedes Weiheamt und jede Weihehandlung zum Schweigen bringen wollte.

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Jeder von uns weiß, welch ungeheure Bedeutung Calvin für die christliche Kirche bekommen hat. Er ist nicht nur der Begründer eines weitverzweigten Kirchentums, sondern seine antisakrale Theologie hat auch das Luthertum weitgehend beeinflußt und unterwandert; und auf dem Umweg über die allgemein protestantische Theologie hat seine antisakrale Theologie in den letzten Jahren sogar Einfluß auf die katholische Kirche gewonnen.

Wenn man Zwingli und Calvin zueinander in Beziehung setzen will, kann man Calvin mit einer Wasserstoffbombe vergleichen, die ja bekanntermaßen eine Atombombe als Zünder braucht. Zwingli der „Atombomben-Zünder“, Calvin die große „Super-Wasserstoff-Bombe“. Der radioaktive Fallout hält bis heute unvermindert an. Jeder Pfarrer, der gern liturgisch reiche Gottesdienste mit einem gültigen, rituell angemessenen und feierlich ausgeschmückten Abendmahl feiern möchte, bekommt es mit calvinistischem Widerspruch zu tun - nicht zuletzt mit dem Vorwurf, er habe ein magisches Abendmahls- und Segensverständnis.

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Ich habe mir erlaubt, die Frage nach den persönlichen Motiven von Zwingli und Calvin zu stellen, noch wichtiger ist jedoch die Frage, warum so viele Menschen den beiden Schweizer Reformatoren auf ihrem unbiblischen Weg gefolgt sind. Auch die Antwort auf diese Frage kann nur sehr hypothetisch gegeben werden. Wenn man jedoch als Pastor mit vielen Menschen zu tun gehabt hat, die liturgisch reiche Gottesdienste und jede sakrale Zeremonie ablehnen, kann man vielleicht doch eine Vermutung wagen, die nicht völlig aus der Luft gegriffen ist.

Ich möchte vermuten, daß das geheime, niemals ausgesprochene Motiv der Entsakralisierungsbefürworter der verborgene Wunsch ist, Gott zu demütigen. Diese geheime Regung wohnt offenbar im Herzen eines jeden sündigen Menschen, leider auch - zutiefst verborgen - im Herzen der frommen Christen. Wie ein kleines Kind seine Mutter lieben, zugleich aber auch den Wunsch haben kann, sie mit Füßen zu treten - wie man das oft beobachten kann - so kann offenbar auch ein gläubiger Christ den verborgenen Wunsch haben, sich über Gott zu erheben, ihm die Ehre zu verweigern und ihn zu demütigen. Die Aufgabe der Mutter ist es, ihr Kind zu erziehen, daß es seinen bösen Regungen nicht nachgibt. Die Aufgabe der Kirche wäre es, die Gläubigen anzuleiten, daß sie Gott auf angemessene Weise die Ehre geben. Der Calvinismus jedoch hetzt die Menschen gegen die Ehre Gottes auf, indem er mit demagogischen Argumenten alles Sakrale negiert und verlästert.

 

Die preußischen Herrscher

Luther hatte die Fürsten dazu aufgerufen, die Reformation der Kirche in die Hand zu nehmen und sie in ihrem Herrschaftsbereich durchzuführen. Er hat damit einen sehr schweren Fehler begangen, wie wir das besonders in der Frage des christlichen Kultes feststellen müssen. Wenn das im folgenden am Beispiel der brandenburgisch-preußischen Herrscher dargestellt werden soll, so gilt doch, daß auch die anderen evangelischen Fürsten in ähnlicher Weise in die lutherische Kirche eingegriffen und sie auf verschiedene Weise entsakralisiert haben.

Im Jahr 1613 trat der Kurfürst von Brandenburg Johann Siegismund öffentlich zum Calvinismus über56. Er hatte in Straßburg studiert und sich dort innerlich der Lehre Calvins zugewandt. Seine Absicht war es, auch seine lutherischen Untertanen calvinistisch zu machen. Da er jedoch auf Widerstand stieß, hat er seinen Untertanen 1615 den dauernden Bestand ihres lutherischen Bekenntnisses zugesichert. Dieses Versprechen wurde jedoch nicht eingehalten, und so begann die Geschichte der langsamen Umpolung der brandenburgischen, später der preußischen Kirche.

Unter Johann Siegismund wurde zunächst die Konkordienformel praktisch außer Kraft gesetzt. Die bis dahin lutherische Universität Frankfurt an der Oder verlor ihren konfessionellen Charakter. In der Berliner Domkirche wurden die Bilder, Kruzifixe und Altäre entfernt.

Seine Nachfolger machten im gleichen Sinn Schritt für Schritt weiter. Unter dem Großen Kurfürsten

wurde die lutherische Konkordienformel offiziell abgeschafft und durch Edikt ... der Besuch der Universität Wittenberg verboten, so daß die Märkischen Lutheraner auf die theologische Fakultät in Frankfurt/Oder angewiesen waren, deren Lehrstühle aber weitgehend mit Reformierten besetzt waren.
(Gericke 40)

Die Reformierten wurden bei Beförderungen begünstigt, und ihre Prediger wurden vielfach in lutherische Stellen gebracht.
(Gericke 41)

In einem Edikt vom 9.6.1683 verbot er (= der Große Kurfürst) die weißen Chorröcke der Geistlichen und das Vortragen der Kreuze bei Begräbnissen, da diese Sachen noch Reliquien aus dem Papsttum und in der Schrift nicht fundiert, sondern von Menschen erdacht seien.
(Gericke 44f)

Unter Friedrich I., dem ersten preußischen König, kamen viele reformierte Hugenotten ins Land, und der König erzwang, daß sie ihre reformierten Gottesdienste auch in lutherischen Kirchen abhalten konnten.

Sein Nachfolger, König Friedrich Wilhelm I., war

bestrebt, den lutherischen Gottesdienst dem reformierten anzugleichen, was zu den Edikten vom 6.11.1736 und 1.1.1737 führte, durch die die alten lutherischen Kirchenzeremonien beseitigt, die Kaseln, die Lichter, das  Singen  des  Segens,  des  Evangeliums  und  der  Epistel  verboten wurden.
(Gericke 58)

Unter seinem Nachfolger, Friedrich dem Großen, bekamen die Lutheraner noch einmal etwas Luft. 1740 wurde ihnen erlaubt,  wieder Kaseln zu tragen, Lichter in der Kirche anzuzünden und andere Zeremonien zu pflegen. Wir wissen jedoch nicht, wieviel bewußte Lutheraner es zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch gab. Als nämlich 1811 Friedrich Wilhelm III. für alle lutherischen und reformierten Pfarrer den gleichen schwarzen Talar anordnete, tat er das nicht nur, um die sechs Jahre später vollzogene Zwangsunion vorzubereiten, sondern auch, weil viele Pfarrer sich inzwischen angewöhnt hatten, im Straßenanzug Gottesdienst zu halten57.

Nun ist die Frage, in welch einem Gewand der Pfarrer Gottesdienst hält, ja wirklich nicht die Hauptsache des christlichen Glaubens; man kann an dieser Äußerlichkeit aber doch ablesen, wie weit der Geist des Calvinismus und der Entsakralisierung in die ehemals lutherischen Kirchen eingedrungen war.

 

Bonhoeffer

Wir machen einen großen zeitlichen Sprung. Mit dem preußischen Bürgersohn Dietrich Bonhoeffer kommt ein neues Element in die Jahrhunderte alte antisakrale Bewegung. Seine Stichworte lauten: „religionslos“ oder „nichtreligiös“, „weltlich“ und „mündig“.

Zunächst jedoch ein allgemeines Wort zu Bonhoeffer, der in seiner Theologie schwer zu verstehen ist und zum Teil gegensätzlich gedeutet wird. Ich selber halte Bonhoeffer nicht für einen großen Theologen. Ich denke, er ist ein liberaler, historisch-kritischer Theologe, dessen Hauptverdienst es war, daß er von den Nationalsozialisten umgebracht worden ist, und der seine Hinrichtung besonders tapfer ertragen hat.

Seine  von  Harnack,  Bultmann  und  Barth  beeinflußte  Theologie  dagegen  ist unausgereift und vielfach widersprüchlich. So zieht Huntemann in seinem Bonhoefferbuch, in dem uns hier besonders interessierenden Kapitel über den „Untergang des Christentums als Religion und die Zukunft der religionslosen Christusmystik“, das bezeichnende Fazit58:

Diese  Antithesen  einer  christusmystischen  Mündigkeit  dürfen  auf keinen Fall systematisiert werden. Die Mündigkeit wird von Dietrich Bonhoeffer prozessual im Ja und Nein, im Nein und Ja verstanden.

Ist es nicht ein niederschmetterndes Ergebnis, wenn man feststellen muß, daß ein Theologe sich so widerspricht, daß er einmal „ja“ und einmal „nein“ zur gleichen Frage sagt? Nun hat Bonhoeffer jedoch mit seinen Aussprüchen über die angebliche Mündigkeit des modernen Menschen und über das zukünftige religionslose Christentum auf viele Theologen einen tiefen Eindruck gemacht. Seine radikale Diagnose lautete59:

Wir gehen einer völlig religionslosen Zeit entgegen; die Menschen können einfach, so wie sie nun einmal sind, nicht mehr religiös sein.

Es ist ja offenkundig, daß Bonhoeffer sich geirrt hat. Die heutigen Menschen haben - 60 Jahre nach Bonhoeffer - ein großes Bedürfnis nach Religion, nur daß die Kirche dieses Bedürfnis mit ihrer liberalen Theologie und ihren kläglichen Gottesdiensten kaum befriedigen kann, so daß sich die Menschen scharenweise den Freikirchen, Sekten und der östlichen Spiritualität zuwenden. Allerdings sehen das viele Theologen anders. Sie halten Bonhoeffers Diagnose für zutreffend und haben sich innerlich fest auf ein religionsloses Christentum eingestellt. Das gilt sogar für weite Teile der nachkonziliaren katholischen Kirche.

Bonhoeffer hat erklärt60:

Die etwa im 13. Jahrhundert ... beginnende Bewegung auf die menschliche Autonomie ... ist in unserer Zeit zu einer gewissen Vollständigkeit gekommen. Der Mensch hat gelernt, in allen wichtigen Fragen mit sich selbst fertig zu werden ohne Zuhilfenahme der „Arbeitshypothese Gott“.

Erstaunlicherweise bedauert Bonhoeffer es nicht, daß der moderne Mensch ohne Gott auskommen will; er hält diese Art Mündigkeit im Gegenteil sogar für eine Frage der Redlichkeit und gottgewollt. So schreibt er an anderer Stelle61:

... wir können nicht redlich sein, ohne zu erkennen, daß wir in der Welt leben müssen - „etsi deus non daretur“. Und eben dies erkennen wir vor Gott. Gott selbst zwingt uns zu dieser Erkenntnis ... Gott gibt uns zu wissen, daß wir leben müssen als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden.

An anderer Stelle schreibt er62:

Ich will also darauf hinaus ..., daß man die Mündigkeit der Welt und des Menschen einfach anerkennt, daß man den Menschen in seiner Weltlichkeit nicht „madig macht“, sondern ihn an seiner stärksten Stelle mit Gott konfrontiert.

In diesem Zusammenhang liegt Bonhoeffer allerdings daran, sich von der platten, normalen Glaubenslosigkeit vieler Mitmenschen abzugrenzen. Ihm schwebt etwas Höheres vor63:

Nicht die platte und banale Diesseitigkeit der Aufgeklärten, der Betriebsamen, der Bequemen oder Lasziven, sondern die tiefe Diesseitigkeit, die voller Zucht ist, und in der die Erkenntnis des Todes und der Auferstehung immer gegenwärtig ist, meine ich.

Nun kann man die Frage stellen, was der historisch-kritische Bonhoeffer, der Bultmanns umstürzlerischen Vortrag über die Entmythologisierung und den Johanneskommentar dringend zur Anschaffung empfohlen und als „das Wichtigste aus der neuesten theologischen Buchproduktion“ bezeichnet hat64, wohl unter „Auferstehung“ verstanden haben mag. So viel ist jedoch klar: Es geht um ein heldenhaft-elitäres Diesseitsbewußtsein.

Die heldenhaft-christliche Diesseitselite, von der Bonhoeffer glaubt, daß sie heraufziehen werde, wird - so hofft er - eines Tages die Bibel besser verstehen, als das bisher der Fall war65:

Insofern kann man sagen, daß die beschriebene Entwicklung zur Mündigkeit der Welt, durch die mit einer falschen Gottesvorstellung aufgeräumt wird, den Blick freimacht für den Gott der Bibel, der durch seine Ohnmacht in der Welt Macht und Raum gewinnt.

Es lassen sich noch mehr Zitate anführen, die zeigen, daß Bonhoeffer dem modernen Menschen eine konsequente Mündigkeit in seinem Verhältnis zu Gott zugesteht; und aus dieser Mündigkeit ergibt sich konsequenterweise ein unkultisches, unsakrales Christentum - auch wenn Bonhoeffer diese Konsequenz nur angedeutet und nicht ausführlich dargestellt hat. Es leuchtet jedoch ein, daß der mündige Mensch vor niemandem niederkniet - auch nicht vor Gott, denn er ist ja mündig gerade in seiner Gottesbeziehung. Und es versteht sich auch, daß mit einer - wie Bonhoeffer glaubt - bisher falschen Gottesvorstellung auch ein falscher Kultus verbunden gewesen sein muß. Und daß die künftig zu erwartende Gottesvorstellung eine neue Art von Verehrung mit sich bringen muß, ist ebenfalls klar - falls es sich dabei nicht sogar um eine Nicht-Verehrung Gottes handelt.

Nun gibt es, wie gesagt, keine konkreten Äußerungen über die zukünftige Gottesverehrung. Es bleibt also jedem selber überlassen, wie er sich - falls er das für richtig hält - das zukünftige religionslose, unkultische Christentum vorstellen will. Vielleicht hat gerade die Offenheit der Bonhoefferschen Aussagen, die nur eine Richtung andeuten, aber kein Ziel beschreiben, die Phantasie vieler moderner Theologen beflügelt, die ein unkultisches Christentum befürworten und sich freuen, wenn sie sich dabei auf die Aussagen eines - wie sie glauben - modernen christlichen Märtyrers berufen können.

Bei alledem ist es wahrscheinlich auch das Ideal eines zukünftigen Elitechristentums, das viele spätere Theologen fasziniert haben dürfte. Um es noch deutlicher zu sagen: Es ist offensichtlich eine Art „Nietzsche-Christentum“, das auf viele Theologen eine besondere Faszination ausgeübt hat.

Es läßt sich an vielen Stellen zeigen, daß Bonhoeffer Nietzsche nicht nur gelesen hat, sondern daß dieser atheistische Philosoph auch Einfluß auf ihn ausgeübt hat. So hat Bonhoeffer beispielsweise als Vikar in Barcelona eine Vortragsreihe gehalten, über deren dritten und letzten Vortrag sein Biograph Bethge schreibt66:

Es ist der konkreteste der drei Vorträge, freilich auch der Bedenklichste. Für seine jüngeren Zuhörer muß er an manchen Stellen mitreißend gewesen sein, wenn er im Anklang an Nietzsche von der Freiheit sprach und dessen »Jenseits von Gut und Böse« dem »freilich verschütteten Urgut der christlichen Botschaft« zuschlug, oder wenn er die Kontinuität ethischen Handelns einfach leugnete, weil »es christliche Normen und Prinzipien sittlicher Art nicht gibt und nicht geben kann«.

Natürlich  gibt  es  einen  wichtigen  Unterschied:  Nietzsche  war  Atheist  und Bonhoeffer historisch-kritischer Theologe, der sich offensichtlich noch gewisse Glaubensreste bewahrt hatte. Aber in seiner Verachtung für alles Plebejische und in seinem Votum für ein heroisch-mündiges Christentum, berührt sich Bonhoeffers Vorstellung ganz offensichtlich mit dem Nietzscheschen Übermenschen.

Ich drücke es einmal mit meinen eigenen Worten aus, wie wir uns diese Theologie wohl vorzustellen haben: Es gibt zwar Gott, aber er ist ein ferner Gott. Er hat die Welt nicht geschaffen, jedenfalls nicht so, wie es in der Bibel steht; der Mensch stammt ja vom Affen ab, wie die neueste Wissenschaft es bewiesen hat. Gott greift nicht ein in den Lauf dieser Welt; und es hat auch keinen Sinn in eine kultische Beziehung zu Gott zu treten. Der moderne Mensch ist notgedrungen mündig und er lebt notgedrungen religionslos - und man soll ihn auch so leben lassen. Man muß aus der Not eine Tugend machen. Man muß ihm ein religionsloses Christentum predigen, ein heroisches Christentum, das mit einer minimalen Rückbindung an Gott zufrieden ist und trotzdem ein geordnetes, sittlich hochstehendes, sozial verantwortliches Leben führt. Dieses mündige Christentum ist notgedrungen auch ein unkultisches, unsakrales Christentum.

*

Da sich Bonhoeffer häufig widerspricht, gibt es auch hier Widersprüchliches zu beachten. So bemängelt Bonhoeffer im Jahr 1934 die ungeistliche Ausbildung der Theologiestudenten an den deutschen Universitäten. Er schreibt67:

Die gesamte Ausbildung des Theologennachwuchses gehört heute an kirchlich-klösterliche Schulen, in denen die reine Lehre, die Bergpredigt und der Kultus ernstgenommen werden - was gerade alles drei auf der Universität nicht der Fall ist und unter gegenwärtigen Umständen unmöglich ist.

Zwei Jahre später ist er der Leiter des illegalen Finkenwalder Predigerseminars. Dort gibt es eine „Notkirche“ und monatliche Abendmahlsgottesdienste - die täglichen Andachten finden jedoch an den Tischen des Eßsaales statt68. In den Andachten spielen lange Psalmlesungen ein Rolle - vom Berneuchnerischen Psalmengesang hat er sich distanziert69. Jedes Mitglied des Predigerseminars muß auf Anweisung Bonhoeffers den Tag mit einer halben Stunde Bibeltextmeditation beginnen - und als er erfährt, daß einige dabei Pfeife rauchen, findet er das keineswegs anstößig70.

Am Tage seiner Hinrichtung, nachdem ihm das Todesurteil eröffnet worden ist, hat er sich hingekniet und intensiv gebetet71. Er ist also selber nicht „religionslos“ gestorben.

Nun haben leider aus den verschiedenen, widersprüchlichen Aussagen und Handlungsweisen Bonhoeffers diejenigen einseitig und wirkungsvoll Theologiegeschichte gemacht, die ein mündiges und unkultisches Christentum propagieren. Wer sich in diesen Fragen jedoch auf Bonhoeffer beruft, sollte wissen, was er tut. Er beruft sich auf eine falsche Zeitgeistanalyse und auf eine falsche Zukunftserwartung. Und er kann sich gar nicht und in gar keiner Weise auf die Bibel berufen. Bonhoeffer hat nämlich das von ihm erwartete religionslose und mündige Christentum nicht aus der Heiligen Schrift begründet. Er hat keinen bisher übersehenen Vers der Heiligen Schrift ins Licht gestellt und in überzeugender Weise neu ausgelegt. Bonhoeffer hat nicht gezeigt, daß der biblische Gott eine unsakrale Verehrung oder gar keine Verehrung mehr wünsche, sondern er proklamiert einfach eine neue Art von Christentum.

Es war ganz offensichtlich die allgemein calvinistische Durchsäuerung eines ehemaligen Luthertums, die Bonhoeffer zu seinen Aussagen über das zukünftige religionslose, mündige Christentum gebracht hat. Hinzu kommt noch der Einfluß von Karl Barth und des niederländisch-reformierten Theologen Kohlbrügge, der in der deutschen Theologie normalerweise unbekannt ist, dessen Bücher Bonhoeffer jedoch mit besonderem Interesse gelesen hat72. Daß wir es hier mit einer häretischen Theologie zu tun haben, sollte ganz klar gesagt werden.

Wenn Bonhoeffer vor seiner Hinrichtung gekniet und innig gebetet hat, kann uns das menschlich tief berühren. Das darf uns aber nicht dazu verleiten, seine These vom mündigen Menschen kritiklos zu akzeptieren. Es sind viele Menschen einen tapferen Tod gestorben, ohne daß sie deswegen rechtgläubige Zeugen der göttlichen Wahrheit gewesen wären.

Die letzte Zuspitzung der Bonhoefferschen Theologie kommt wohl aus dem Mund einer Katholikin. Die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerd-Falkowitz hat erklärt73, der christliche Glaube habe einen Menschen hervorgebracht,

der keinen religiösen Katzbuckel mehr machen muß vor seinem Gott. Der jüdisch-christliche Glaube ist die einzige Religion, die den Menschen frech gemacht hat.

Sie hat Recht - nur ist es nicht der jüdisch-christliche Glaube, sondern der Calvinismus, der die Christen - unter Beibehaltung ihres guten Gewissens - rebellisch gegen Gott gemacht hat.

 

Nachträgliche Argumente aus der Heiligen Schrift

Wer die Bibel unvoreingenommen liest, wird nicht im Mindesten auf die Idee kommen, daß es die Absicht Jesu gewesen wäre, ein unkultisches, unsakrales Christentum zu begründen oder den Menschen vor Gott als mündig zu erklären. Die ersten Versuche, Argumente für ein unsakrales Christentum aus der Bibel zu gewinnen, die Zwingli unternommen hat, kann man nur als kläglich bezeichnen. So versucht denn auch Calvin nicht mehr, mit Worten aus der Heiligen Schrift zu argumentieren, sondern er verlegt sich einfach auf die Verlästerung der überlieferten Riten und unterstellt ihnen fortwährend Zauberei und Abfall vom wahren christlichen Glauben. Auch Bonhoeffer argumentiert nicht biblisch, sondern religionsgeschichtlich, in dem er vorgibt, die zukünftige Entwicklung des Christentums voraussehen zu können.

Nun haben allerdings die Befürworter der Entsakralisierung ihre Argumentation inzwischen verfeinert. Sie führen verschiedene Bibelstellen an, die auf den ersten Blick vielleicht doch nachdenklich machen können. Dabei meine ich nicht solche Theologen, wie den Katholiken Heinrich Kahlefeld, der es sich leicht macht und mit historisch-kritischer Quellenscheidung arbeitet. Danach stammt alles, was man isoliert für sich als eine Aufhebung des Sakralen verstehen könnte, aus dem Munde Jesu, während alles, was dagegen spricht, spätere Übermalung der Gemeinde sein soll74.

Ohne solche Quellenscheidung kommen die allgemein heilsgeschichtlichen Argumente aus, die man - wie folgt oder ähnlich - immer wieder lesen kann75:

Um Gottes Wort zu verkünden, um zu beten, zu singen und Abendmahl zu halten, ist jeder Raum recht. Seit Jesus im Stall von Bethlehem zur Welt gekommen und vor den Toren der Stadt Jerusalem gekreuzigt worden ist, gibt es keinen Raum mehr, der die Nähe Gottes entbehren würde. In seiner Todesstunde zerriß der Vorhang im Tempel, der den Zugang zum Allerheiligsten verbarg. Der Unterschied zwischen profanem und sakralem Raum ist durch Tod und Auferstehung Jesu aufgehoben.

Es ist allerdings zu fragen: Bedeutet das Zerreißen des Tempelvorhanges wirklich, daß es keinen heiligen Raum mehr gibt? Oder bedeutet das Zerreißen des Vorhanges vielleicht nur, daß Gott in diesem heiligen Raum nun nicht mehr wohnen will? Das Zerreißen des Tempelvorhanges, das in der Bibel selber nicht gedeutet wird, ist also kein eindeutiges Geschehen, auf das man sich berufen kann, wenn man eine so schwerwiegende Behauptung aufstellen will, daß es seit dieser Zeit keinen sakralen Raum mehr gäbe. Der Vorhang verbarg übrigens den Zugang zum Heiligen und nicht zum Allerheiligsten.

Und kann man wirklich behaupten, durch die Geburt Jesu im Stall von Bethlehem und durch seine Kreuzigung vor den Toren Jerusalems entbehrte nunmehr kein Raum der Nähe Gottes? Dann wären ja alle irdischen Räume sakral - auch ein Bordell, ein Konzentrationslager oder ein Raum, in dem regelmäßig Satansmessen gefeiert werden! Ganz so einfach, wie es hier dargestellt wird, kann das angeblich unsakrale Wesen des Christentums doch wohl nicht begründet werden.

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Immer wieder wird das angeblich unsakrale Wesen der ursprünglich von Jesus beabsichtigten christlichen Religion auch mit seiner Stellung zum Sabbat begründet. So heißt es beispielsweise in der anfangs schon erwähnten Broschüre „Religionen, Religiosität und christlicher Glaube“ in dem Kapitel „Die Sakralisierung von Jesu Wort, Werk und Person“76:

Die Evangelien zeigen, daß Jesus immer wieder die kultischen Schranken des Judentums ... zerbrach. Seine Sabbatheilungen, die wie die Heilung der gelähmten Hand in Mk 3,1-6 durchaus Aufschub vertragen hätten, zeigen seine grundsätzliche Ablehnung der kultischen Ausgrenzungen. ... Kein Pharisäer hätte geleugnet, daß man am Sabbat Gutes tun darf. Aber das Tun steht am Sabbat eben unter einer sakralen Sanktion, und dem hat sich die Frage nach dem Guten unterzuordnen. Jesu hebt die sakralen Sanktionen auf.

Auch hier ist die Argumentation von kaum zu überbietender Oberflächlichkeit. Das alttestamentliche Sabbatgebot verbietet ja keinesfalls irgendwelche Heilungen, sondern nur unnötige Arbeit. Wenn Jesus nun in Mk 3,5 lediglich einige Worte spricht und sagt: „Strecke deine Hand aus!“, so hat er damit zwar geheilt, aber keine Arbeit getan. Selbst das von Jesus befohlene Ausstrecken der Hand war keine Arbeit, denn es war am Sabbat nicht verboten, seine Hand zu bewegen. Jesus hat bei dieser Begebenheit, also auch bei engster Auslegung, weder das Sabbatgebot verletzt noch irgendwelche kultischen Schranken zerbrochen.

Wenn außerdem gesagt wird, die Pharisäer hätten die Frage nach dem Guten der sakralen Sicht des Sabbats untergeordnet, so liegt doch eigentlich der Schluß nahe, Jesus habe seinerseits das Gute dem sakralen Verständnis des Sabbats übergeordnet. Das hieße dann aber, daß Jesus die Sakralität keineswegs grundsätzlich und prinzipiell aufgehoben hätte. Wir sehen also auch hier: Ganz so einfach, wie die Autoren dieser Schrift es versuchen, läßt sich die angeblich unsakrale Einstellung Jesu nicht beweisen.

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Besonders häufig wird auch auf Joh 4,19-24 hingewiesen. Die samaritische Frau legt Jesus eine alte jüdisch-samaritische Streitfrage vor:

Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, zu Jerusalem sei die Stätte, da man anbeten solle.
(Joh 4,20)

Darauf antwortet Jesus:

Weib, glaube mir, es kommt die Zeit, daß ihr weder auf diesem Berge noch zu Jerusalem werdet den Vater anbeten.
... es kommt die Zeit und ist schon jetzt, daß die wahrhaftigen Anbeter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit ...
(Joh 4,21+23)

Hat Jesus mit diesem Wort nicht tatsächlich den Unterschied zwischen heiligen und profanen Orten aufgehoben? Das wäre in der Tat der Fall, wenn es einen Gegensatz zwischen der Frage des Ortes und der Wahrheit geben würde. Einen solchen Gegensatz gibt es aber nicht. Man kann an einem heiligen Ort die biblische Wahrheit verleugnen und ungeistliche, antichristliche Gottesdienste halten; und man kann in Notzeiten an einem unsakralen Ort eine biblische Predigt halten und ein heiliges Abendmahl feiern. Aber jeder, der das tut, wird sich nach einem angemesseneren Ort sehnen - nach einem sakralen, heiligen Ort!

Wahrheit und Geist auf der einen und heiliger Ort auf der anderen Seite sind keine Gegensätze. Daher kann Jesus mit diesem Wort auch nicht die grundsätzliche Sakralität aller heiligen Orte aufgehoben haben. Er hat vielmehr die Reihenfolge geändert: Wichtiger als heilige Orte ist, daß Gott im Heiligen Geist und in der Wahrheit angebetet wird. Danach haben auch die heiligen Orte ihr bleibendes Recht. Der Tempelberg in Jerusalem und der Garizim werden allerdings nicht zu diesen Orten gehören, in denen im Geist und in der Wahrheit gebetet wird - daß jedoch der Tempelberg in Jerusalem bis zur Ankunft des Antichrist eine heilige Stätte bleibt, geht ja deutlich aus einem anderen Jesuswort hervor, auf das ich schon hingewiesen habe (Mt 24,15).

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Ein wichtiges Argument derjenigen, die meinen, Jesus habe ein unsakrales Christentum beabsichtigt, sind schließlich die Äußerungen Jesu zur Frage der äußerlichen und inneren Unreinheit, wie sie uns in Mk 7,14-23 überliefert sind. Jesus hat zu den Jüngern gesagt:

Merket ihr nicht, daß alles, was von außen in den Menschen hineingeht, ihn nicht unrein machen kann? Denn es geht nicht in sein Herz, sondern in den Bauch, und geht aus durch den natürlichen Gang.
(Mk 7,18+19)

Markus kommentiert diese Äußerung mit der Feststellung:

So erklärte er alle Speisen für rein.
(Mk 7,19)

Wenn man den Markusbericht nur bis dahin liest, kann man vielleicht zum Ergebnis kommen, Jesus habe hier alttestamentliche Reinheitsvorschriften aufgehoben und damit zumindest ein Stück Entsakralisierung betrieben. Wenn man den Markusbericht jedoch weiterliest, sieht das Ergebnis ganz anders aus:

Er sagte aber: Was aus dem Menschen herauskommt, das macht den Menschen unrein; denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Dieberei, Mord, Ehebruch, Habsucht, Bosheit, List, Schwelgerei, Mißgunst, Lästerung, Hoffart, Unvernunft. All diese bösen Dinge kommen von innen heraus und machen den Menschen unrein.
(Mk 7,20-23)

Es ist ganz klar: Jesus hat den grundsätzlichen Unterschied von rein und unrein keineswegs aufgehoben, sondern nur verlagert, von den Speisen auf das Denken und Tun der Menschen. Er hat, wie er das auch sonst getan hat, das mosaische Gesetz auch an dieser Stelle nicht aufgelöst, sondern transformiert und verschärft. Nicht durch die Speise, sondern durch falsches Denken und Tun wird der Mensch unrein. Wenn er nicht durch die Taufe gewaschen und durch immer wieder neues Abendmahl immer wieder neu gereinigt wird, fehlt ihm die nötige Sakralität, er ist kultunfähig, er ist Gott ein Greuel und darf sich ihm nicht nahen.

Von einer Aufhebung des Gegensatzes von rein und unrein, sakral und profan, ist hier also überhaupt keine Rede. Im Gegenteil!

*

Noch einmal: Alle untauglichen Versuche, ein unsakrales Christentum aus der Bibel zu begründen, beweisen nur eines: Es sind andere, unausgesprochene Motive, die hier am Werk sind. Warum werden sie nicht ausgesprochen? Weil sie widergöttlich sind.

 

Schlußbemerkung

Ich möchte schließen mit einem Bibelvers, der auf den ersten Blick mit unserem Thema nichts zu tun hat. Jesus hat gesagt:

Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.
(Mk 10,15)

Ist es vorstellbar, daß ein Kind etwas gegen ein farbiges Meßgewand einzuwenden hat und statt dessen vom Pastor das Tragen des schwarzen Talares verlangt? Hat es je ein Kind gegeben, das verärgert ist, wenn auf oder hinter dem Altar viele Kerzen brennen? Oder wenn der Pastor ehrfürchtig niederkniet oder andere gottesdienstliche Riten vollzieht? Ist es denkbar, daß ein Kind Anstoß nimmt an Weihrauch, bunten Glasfenstern oder schöner Musik? Oder wenn eine Gemeinde sich zur Konsekration des Abendmahls erhebt?

Erst ein erwachsener Mensch protestiert gegen Meßgewänder und ehrfürchtiges Verhalten. Erst die verdorbene Seele eines Erwachsenen, die sich mit sexueller Unreinheit oder antichristlicher Philosophie befleckt hat, besteht darauf, daß  ein Gottesdienst schlicht verlaufen müsse. Nur ein überheblicher Erwachsener, der im Innersten sein will wie Gott, kann heilige Handlungen, bei denen Gott angerufen wird, als Zauberei oder Magie verdächtigen. Nur ein erwachsener, unbußfertiger Christ kann sich Gott gegenüber als mündig oder gar ebenbürtig empfinden und glauben, er könne die Bedingungen einer kultischen oder unkultischen Begegnung mit Gott definieren und festsetzen.

Jesus aber sagt dazu ein klares Nein:

Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.

Dies ist der Bibelvers, mit dem sich ein Pfarrer am schlagkräftigsten wehren kann:  Wer antisakral ist, kommt nicht in den Himmel!

Über die Frage, ob es nicht auch viele unschuldig Verführte gibt, werden wir mit uns reden lassen, wenn wir vernünftige Gesprächspartner haben. Wer aber in antiliturgischem Haß gegen uns anrennt, dem werden wir ohne Wenn und Aber bezeugen: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.

 

Literatur

Kurt Aland „Die Reformatoren“ (Gütersloh 21980).

Hartmut Bartsch (Herausgeber) „Probleme der Entsakralisierung“ (München 1970).

Theodor Bogler (Herausgeber) „Das Sakrale im Widerspruch“ (Maria Laach 1967).

Dietrich Bonhoeffer „Widerstand und Ergebung. Brief und Aufzeichnungen aus der Haft“ Herausgegeben von Eberhard Bethge (München 1991) - Abk.: WE.
Dietrich Bonhoeffer „Gesammelte Schriften“ Herausgegeben von Eberhard Bethge (München 1958ff) - Abk.: GS

Johannes Calvin „Unterricht in der christlichen Religion. Institutio christianae religionis“ nach der letzten Ausgabe übersetzt und bearbeitet von Otto Weber (Neukirchen 31984) - Abk.: Inst.
„Johannes Calvins Auslegung der Evangelienharmonie“ herausgegeben von Otto Weber, Bd II (Neukirchen-Vluyn 1974).

Corpus Reformatorum, Bd 88ff „Huldreich Zwinglis sämtliche Werke“
Zürich 1905-1982) - Abk.: CR.

Jürgen Diestelmann „Actio Sacramentalis“ (Groß Ösingen 1996).

Werner Elert „Morphologie des Luthertums“ Bd I (München 31965).

Wolfgang Gericke „Glaubenszeugnisse und Konfessionspolitik der Brandenburgischen Herrscher bis zur Preußischen Union 1540 bis 1815“ (Bielefeld 1977).

Bruno Kleinheyer „Ordinationen und Beauftragungen“ in „Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft“ Bd. 8,II (Regensburg 1984).

Emil Lengeling „Sakral-profan. Bericht über die gegenwärtige Diskussion“ in „Liturgisches Jahrbuch“ 18/1968, Seite 164ff.

Heribert Mühlen „Entsakralisierung. Ein epochales Schlagwort in seiner Bedeutung für die Zukunft der christlichen Kirchen“ (Paderborn 1971).

Jürgen Herzog / Andreas Rothe „Die Schloßkirche zu Torgau“ (Torgau 1994).

Rudolf Pfister „Kirchengeschichte der Schweiz“ Bd II (Zürich 1974).

Josef Pieper „Entsakralisierung?“ (München 1970).

Arthur C. Piepkorn „Die liturgischen Gewänder in der lutherischen Kirche seit 1555“ aus dem Amerikanischen übersetzt und herausgegeben von Jobst Schöne und Ernst Seybold (Lüdenscheid 1987).

„Religionen, Religiosität und christlicher Glaube“ herausgegeben im Auftrag der Arnoldshainer Konferenz und der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Gütersloh 31993).

Fritz Schmidt-Clausing „Zwingli als Liturgiker“ (Göttingen 1952).

„Zwingli, der Prediger“ = Zwinglis Predigten herausgegeben und bearbeitet von

Oskar Farner. Bd I (Zürich 1940) / Bd II (Zürich 1941). - Abk.: Farner I+II.

 

 

 

 

 

 

Anmerkungen

1.) 1.Mose 17,3 / 5.Mose 9,18 / Jos 7,6 / Hi 1,20 / 2.Chr 6,13 / Hes 43,3 / Dn 6,11.

2.) Mt 28,17 / AG 9,40 / 20,36 / 21,5.

3.) Mt 26,39 / Mk 14,35.

4.) Walch220,153.

5.) Vgl dazu mein Buch „Die bischöfliche Konfirmation“.

6.) 71. Brief an Hieronymus III,5 (BKV229,261).

7.) Vgl dazu Kleinheyer Seite 37ff.

8.) In seinem Aufsatz „Welt als Anruf für den Partner Gottes“ in „Das Sakrale im Widerspruch“, Seite 50f.

9.) Lengeling gebraucht die Worte „hochkultisch (177) und „großkultisch“ (187).

10.) Siehe vor allem Seite 109ff.

11.) „Hier bedürft´s nicht viel und groß Gesänges“ (Walch210,229).

12.) Das hat Luther sogar für den öffentlichen Gottesdienst als Fernziel erwogen:

Da lassen wir die Meßgewänder, Altar, Lichter noch bleiben, bis sie alle werden, oder uns gefällt zu ändern.
(Walch210,235)

13.) Walch210,229.

14.) Elert 284.

15.) Walch222,1953.

16.) Diestelmann 24ff / 55 / 87f.

17.) Schmidt-Clausing 81.

18.) Schmidt-Clausing 22+83.

19.) Schmidt-Clausing 41+47.

20.) Siehe Schmidt-Clausing 41.

21.) Dogmatisiert ist diese Lehre im Tridentinum (DzH 1515). Die katholische Theologie spricht allerdings meistens von der „Konkupiszenz“, der Ausdruck „fomes peccati“ wird seltener gebraucht.

22.) CR 2,67.

23.) CR 4,704.

24.) Schmidt-Clausing 81.

25.) CR 4,17.

26.) CR 4,704.

27.) CR 4,15.

28.) CR 2,16.

29.) CR 4,129.

30.) CR 2,248. Diese Stelle wendet sich zwar zunächst gegen die besonderen Wallfahrtsorte, sie ist aber allgemeingültig gemeint. An anderer Stelle schreibt er:

(Es ist klar, daß) die den Christen got an statt und zyt bindend, sy irer freyheit beroubend, denn got verschlüssend sy inen und das zyt, das dem menschen dienen soll zu siner noturfft, das setzend sy über den menschen.
(CR 2,248)

31.) Farner II,188.

32.) CR,129.

33.) CR 2,227.

34.) Vgl zu meiner Fassung die in den ursprünglichen Text in Klammern hinzugefügten Worte in modernem Deutsch von Schmidt-Clausing (81).

35.) Farner I,223.

36.) „Schriften“ II,295:

Da nun Gott solche Torheit schilt, so sind Kutten, Kreuzeszeichen, Chorhemden und Tonsuren nicht nur weder gut noch schlecht, sondern nur schlecht.

37.) CR 4,20f.

38.) Aland 77.

39.) Aland 77f.

40.) Aland schreibt:

Im Frühjahr 1522 schließt Zwingli zunächst heimlich die Ehe mit Anna Reinhart (öffentlich durch gemeinsamen Kirchgang vollzogen 2.April 1524).
(Seite 71)

41.) Zu dieser Erklärung würde passen, daß Zwingli im November 1522 sein Priesteramt am Zürcher Großmünster niedergelegt, jedoch zugleich Wert darauf gelegt hat, noch weiterhin Prediger an dieser Kirche zu bleiben (Aland 73ff).

42.) Er spricht von einer „pytagorischen Wiedergeburt“ (Farner II,108f).

43.) Farner II, 206-215. Vgl dazu auch meinen Aufsatz über „Astrologie, Willensfreiheit und lutherische Rechtfertigungslehre“ Seite 337f.

44.) Inst III,20,32.

45.) Inst IV,17,48.

46.) 2.Kor 1,21 / 1.Joh 2,20+27 / Jak 5,14. Auch Mk 6,13 gehört in diesen Zusammenhang, wenn man diese Stelle im Licht von Jak 5,14 versteht.

47.) Inst IV,15,19.

48.) Vgl zu Hes 36,25 und Hebr 10,22 meinen Aufsatz „Über die Taufwasserweihe“.

49.) Inst II,8,33.

50.) Inst II,8,34.

51.) Pfister 206

52.) „Auslegung der Evangelien-Harmonie“ Bd II, Seite 314. Aus dem Kontext geht hervor, daß Calvin nicht nur das Kreuzeszeichen, sondern auch die Segnung der Elemente ablehnt, daher habe ich dem Zitat in Klammern das Wort „vermeintlich“ hinzugefügt.

53.) A.a.O. 315.

54.) Inst IV,18,8.

55.) Aland 90.

56.) Vgl zum Folgenden Gericke „Glaubenszeugnisse ...“

57.) Piepkorn 82f.

58.) Huntemann 88.

59.) WE 178.

60.) WE 215.

61.) WE 241.

62.) WE 236.

63.) WE 248.

64.) Bethge 799. - Bonhoeffer hat auch erklärt:

Große Freude habe ich an dem neuen Bultmannheft. Mich beeindruckt die intellektuelle Redlichkeit seiner Arbeiten immer wieder.
(Brief vom 24.7.1942 / GS III,45)

Mich hat immer wieder Bultmanns verlogene Primitivität erstaunt - wie auch die große Zustimmung, die er dazu erhalten hat.

65.) WE 242.

66.) Bethge 152.

67.) GS I,42.

68.) Bethge 533.

69.) WE 220, vgl auch Bethge 496+938.

70.) Bethge 530: „... die Pfeife fand Bonhoeffers Beifall.“

71.) Bethge 1038.

72.) Vgl dazu Huntemann 59f.

73.) Zitiert in der Una-Voce-Korrespondenz 6/1997, Seite 329.

74.) Kahlefeld: „Neutestamentliche Beobachtungen zur Frage »profan oder sakral«“ in „Das Sakrale im Widerspruch“ 33ff.

75.) Zitat aus „Die Schloßkirche zu Torgau“ J. Herzog / A. Rothe Seite 13. Die Schloßkirche zu Torgau gilt ja als Musterbeispiel eines neuen evangelisch-unsakralen Kirchentyps.

76.) Seite 109.