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Predigt für ein Gefirmtentreffen

 

Dem, der uns liebt und erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut und hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott, seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
(Offb 1,5+6)

Jesus sprach zu den Aposteln: Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir seid nachgefolgt, werdet dereinst bei der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, auch sitzen auf zwölf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels. Und wer verläßt Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen, der wird´s vielfältig empfangen und das ewige Leben ererben. Aber viele, die da sind die Ersten, werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein.
(Mt 19,28-30)

Ich habe vor kurzem ein altes Ehepaar gefirmt, zwei gläubige, gestandene Christen in meinem Alter. Ist die Firmung von solchen alten Leuten nicht überflüssig? Brauchen solche Christen, die ihren Glauben bis ins Alter standhaft und treu bewahrt haben, noch die sakramentale Stärkung ihres Glaubens?

Nun, auch der alte, gläubige Christ sollte jede Glaubensstärkung annehmen, die sich ihm bietet. Zwar ändert der Mensch im Alter kaum noch seine Meinung; und auch der Glaube profitiert davon, daß der alte Mensch nicht mehr ständig nach Neuem ausschaut. Trotzdem: Auch das Alter hat seine Anfechtungen und kann jede Glaubensstärkung gebrauchen. Und vielleicht hilft die heilige Firmung sogar zu einem sanften Tod. Jesus Christus hat ja gesagt:

Wer mein Wort hört und glaubet dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.
(Joh 5,24)

Der gläubige Christ ist also schon jetzt vom Tode zum Leben hindurchgedrungen! Ich verstehe das so, daß Jesus dem gläubigen Christen neben anderen Verheißungen auch einen sanften Tod verspricht. Während die Angehörigen, die sich vielleicht um das Sterbelager eines gläubigen Christen versammelt haben, vom Schrecken des Todes ergriffen und überwältigt sind, scheidet der sterbende Christ in Wirklichkeit still und friedlich aus diesem Leben, ohne irgend etwas vom Tod zu spüren. Für ihn ist der Tod ein Hindurchgehen in das ewige Leben. Und dabei, so bin ich fest überzeugt, wird uns auch die Firmung eine große Hilfe sein.

*

Es gibt aber auch noch einen ganz anderen Grund, warum die Firmung noch im hohen Alter gut und wichtig ist. Durch die heilige Firmug werden wir zu Priestern und Königen gesalbt.

Im Alten Testament wurde man durch eine Waschung und eine Salbung zum Priester geweiht, wobei die Salbung das Wichtigere war. Im Neuen Testament ist es die Taufe und Firmung - ebenfalls eine Waschung und  Salbung - wodurch wir zu Priestern und Königen werden.

Die Taufe ist äußerst wichtig, damit wir überhaupt in den Himmel kommen. Taufe und Glaube allein reichen aus, daß ein Mensch ins ewige Leben kommt; aber zu Priestern und Königen werden wir nur durch Taufe und Firmung.

Wir sollten die Dinge sorgsam unterscheiden und nicht alles in einen Topf rühren. Darum wiederhole ich noch einmal: Die Taufe ist äußerst wichtig. Durch die Taufe werden wir zu Gottes Kindern. Taufe und Glaube allein reichen aus, daß ein Mensch ins ewige Leben kommt. Aber Priester und Könige - das ist noch eine andere Sache - zu Priestern und Königen werden wir nur durch Taufe und Firmung - wobei die Firmung (in dieser Hinsicht) vermutlich das Wichtigere ist.

Die Firmung ist nicht heilsnotwendig, aber durch die Firmung bekommen wir, wie gesagt, ein ganz besonderes Amt: Wir werden Priester und Könige - und zwar für alle Ewigkeit. Der Apostel Paulus schreibt nämlich im 2. Korintherbrief, daß die Ämter des neuen Bundes bleibende Ämter sind. Er schreibt:

Wenn das Herrlichkeit hatte, was da aufhört (nämlich das alttestamentliche Amt), wieviel mehr wird das Herrlichkeit haben, was da bleibt (nämlich das neutestamentliche Amt).
(2.Kor 3,11).

Machen wir uns das an dem Amt der zwölf Apostel klar. Jesus hatte den Zwölfen versprochen:

Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir seid nachgefolgt, werdet dereinst bei der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, auch sitzen auf zwölf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels.
(Mt 19,28)

Wir sehen: Die zwölf Apostel haben ein bleibendes Amt! Ja, es wird erst im Himmel so richtig deutlich, was für ein hohes Amt sie ausüben. Sie werden neben Jesus Christus auf zwölf Thronen sitzen und das Volk Israel „richten“. Natürlich sind damit keine Gerichtsprozesse gemeint, die gibt es im Himmel nicht, sondern sie werden eine Art liturgischen Vorsitz ausüben.

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Aber nicht nur die Apostel haben ein bleibendes Amt, alle geistlichen Ämter des neuen Bundes sind bleibend. Jesus erzählt einmal ein Gleichnis von einem edlen Herrn, der verreisen will und seinen Knechten eine große Menge Geld übergibt, damit sie in der Zwischenzeit damit handeln. Einer der Knechte verzehnfacht das ihm anvertraute Gut, und sein Herr sagt:

Ei, du frommer Knecht, weil du bist im Geringsten treu gewesen, sollst du Macht haben über zehn Städte.
(Lk 19,17)

Ein anderer hat das Geld immerhin verfünffacht. Zu ihm sagt der edle Herr:

Und du sollst sein über fünf Städte.
(Lk19,19)

Mit dem edlen Herrn ist ganz klar Jesus gemeint. Der Tag der Abrechnung ist das Jüngste Gericht, und die versprochene Herrschaft über fünf und zehn Städte findet folglich im ewigen Leben statt.

Als Herrscher über fünf oder zehn Städte werden sie nicht herrschen wie ein irdischer Diktator, sondern eher wie ein Chorleiter über einen Kirchenchor, wo jeder sich freut, daß er mitsingen kann. Oder wie ein Schützenkönig beim Schützenfest, wo jeder sich freut, daß er mitfeiern kann.

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Im Himmel wird es ganz klar Große und Kleine geben, Erste und Letzte. Das hat Jesus selbst gesagt. Er sprach einmal über die Pastoren, die zwar gut und gläubig predigten, aber doch eins der biblischen Gebote auflösten - sagen wir einmal das Gebot, daß das Altargerät kostbar sein soll, aus edlem Metal gefertigt und von einem Künstler gestaltet. So ein Gebot gibt es ja in der Bibel (2.Mose 31,1-11). Trotzdem nehmen einige Gemeinden billige Tonkelche zum heiligen Abendmahl. Dazu hat Jesus gesagt:

Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich, wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich.
(Mt 5,19)

Es wird also im Himmel Kleine  und  Große, Erste und Letzte geben - und ich werde glücklich sein, wenn ich noch als Letzter aufgenommen werde. In einem anderen Zusammenhang hat Jesus einmal gesagt, daß wir sein werden wie die Engel (Mt 22,30/ Mk 12,25). Auch die Engel sind nicht alle gleich. Es gibt Engel und Erzengel, Thronengel und Herrschaftsengel. Die alte Kirche hat die Engel in neun verschiedene Chöre, das heißt: in neun verschiedene Engelklassen eingeteilt.

In der Bibel ist Gott der „Herr Zebaoth“. Das heißt: Er ist der Herr über ein himmlisches Engelheer. So ein großes Heer ist natürlich gegliedert. Da gibt es hohe und niedere Offiziere und einfache Mannschaften. Vor der Zerstörung Jerichos trifft Josua einen Engel mit dem blanken Schwert in der Hand. Er fragt ihn:

Gehörst du zu uns oder zu unseren Feinden?
(Jos 5,13)

Der antwortet:

Ich bin der Fürst über das Heer des HERRN.
(Jos 5,14)

Es gibt also normale Engelkrieger und einen Engelfürsten über das ganze himmlische Heer - und zwischen beiden vermutlich auch mittlere Dienstgrade. Aber es gibt keinen Neid, kein Mobbing und kein Karrieredenken unter den Engeln, und so werden auch wir sein.

Das Heer der Engel ist unser großes Vorbild. Jeder ist glücklich und zufrieden. Das ist so, wie wenn die Nationalmannschaft eines Landes die Fußballweltmeisterschaft gewonnen hat, dann ist niemand neidisch auf die erfolgreichen Spieler, sondern man identifiziert sich mit ihnen. Genau so werden wir uns im Himmel mit denen identifizieren, die frömmer, treuer und tüchtiger gewesen sind als wir selber und die jetzt einen erhöhten Platz einnehmen dürfen.

In diesem Zusammenhang sind nun auch die „Könige und Priester“ von Bedeutung, oder wie Petrus sich ausdrückt: das „königliche Priestertum“. Ein „allgemeines“ Priestertum gibt es übrigens in der Bibel nicht, sondern die gefirmten Christen - und damals waren ja alle Christen gefirmt - bildeten das „königliche Priestertum“ oder wie es in der Offenbarung des Johannes heißt:  Wir sind  „Könige und Priester“.

Vielleicht sagt jemand: So viele Priester und Könige? Das sind ja mehr Könige als Untertanen und mehr Priester als Gemeindeglieder? Das sind doch wohl nur schöne Bezeichnungen, denen keine Realität entspricht. Dagegen sage ich: Ich habe gelesen, daß es im russischen Bürgerkrieg reine Offiziersbatallione gab. Sie kämpften wie normale Soldaten, waren aber eine besondere Elitetruppe. Vielleicht wird ja auch die große Schar von königlichen Priestern ein oder mehrere Elitechöre bilden, die vor dem Thron Gottes singen dürfen. In diesem Sinn ist vielleicht auch die  Offenbarung zu verstehen, die zum Lob Jesu Christi erklärt:

Dem, der uns liebt und erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut und hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott, seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
(Offb 1,5+6)

Nach diesen Versen ist die heilige Firmung, durch die wir zu Königen und Pristern geworden sind, eine besondere Veranstaltung „vor Gott“ gewesen. Das heißt: vor dem Angesicht Gottes. Damit ist vielleicht gemeint: Der königlich-priesterliche Elitechor steht besonders dicht um den himmlischen Thron und darf sein Loblied ganz nahe vor der göttlichen Majestät zu Gehör bringen.

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Übrigens werden vor dem Thron Gottes nicht nur die großen Chöre singen. Es werden vermutlich auch Einzelpersonen Lesungen aus der Bibel vorlesen oder im Sprechgesang vortragen. Jesus Christus hat gesagt:

Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht.
(Mt 24,35)

Das heißt: Wenn dieser Planet Erde und das Weltall im Feuer vergangen sind, bleiben die Worte Jesu weiterhin lebendig und unvergessen. Die Frage ist jedoch: Gilt das ganz genau nur den Worten Jesu?

Nehmen wir einmal die Geschichte von der Totenauferweckung des Jünglings zu Nain. Da überliefert uns Lukas eine längere Geschichte, in der Jesus aber nur einen kurzen Satz sagt:

Jüngling, ich sage dir, stehe auf!
(Lk 7,14)

Wird von der ganzen Geschichte nur dieser kurze Satz bleiben? Das ist kaum anzunehmen. Es wird sicher die ganze Geschichte - ja, das ganze Evangelium des Lukas lebendig bleiben. Das heißt doch sicher, die Evanglien, ja die ganze Bibel werden noch im Himmel vorgelesen oder sogar vorgesungen werden. Und während wir hier in der Gefahr sind, daß wir bei den gottesdienstlichen Lesungen nur mit einem halben Ohr zuhören, werden wir bei den feierlich liturgischen Lesungen vor dem Thron Gottes bei jedem einzelnen Wort in Tränen der Ergriffenheit ausbrechen. Lutherbibel, Vulgata,  King James Version, griechischer und hebräischer Urtext - wir werden erst im Himmel recht erkennen, was das für schöne Übersetzungen sind und wie großartig der Urtext ist.

Vielleicht dürfen die, die schon auf der Erde aus der Bibel vorgelesen oder gesungen haben, auch vor dem Thron Gottes wieder vorlesen und singen. Vielleicht, wenn einer von den auferstandenen Christen vor dem Thron Gottes stehen und etwas aus den Evangelien vorsingen darf, bildet das ganze Engelheer im Hintergrund einen Summchor, und das wird hundertmal so schön sein wie die allerschönste, bestgelungene Kirchenmusik auf der Erde.

Vielleicht wird man da auch die Mütter bitten, die ihren Kindern aus der Bibel vorgelesen haben, das hier im Himmel noch eimal zu tun. Und alle Engel und Erlösten werden zuhören und Tränen der Begeisterung in den Augen haben.

Hier komme ich noch einmal auf die Könige zurück. Im christlichen Mittelalter hat man vielfach die Könige zu Diakonen geweiht. Dadurch konnten sie am Gottesdienst mitwirken und vielleicht eine Lesung halten. Die Diakonenstola, die sie dabei tragen durften, hat sich übrigens bei den Politkern (vor allem in Frankreich) zur Schärpe entwickelt. Hier verbirgt sich möglicherweise ein Hinweis, daß auch die Firm-Könige im  himmlischen Gottesdienst ihre besonderen Aufgaben haben werden, sie sind ja zugleich Priester und können gewiß auch im Himmel ihres Amtes walten bzw im Himmel werden sie erst richtig damit beginnen. Vielleicht werden  sie wie die Engel den himmlischen Altar beräuchern. Vielleicht wird es einen besonderen, hochliturgischen Anbetungsgottesdienst geben, der von den vielen Priester-Königen mit Freude gefeiert wird.

Vielleicht sagt jetzt jemand: Das sind doch alles nur Vermutungen; das ist doch gar keine richtige Predigt. Darauf antworte ich: Es gibt fromme und unfromme Vermutungen; es gibt eine fromme und eine unfromme Phantasie. Ich glaube, wir sollten alle, was die zukünftigen Dinge im Himmel anbetrifft, mehr von unserer gläubigen Phantasie Gebrauch machen. Man muß dabei nur unterscheiden: Was sind die Tatsachen, die uns die Bibel klar und deutlich bezeugt, und was sind nur Vermutungen. Wer sich aber auf keine Vermutung einlassen will, sollte wenigstens dies aus der heutigen Predigt mitnehmen: Durch die heilige Firmung werden wir zu Priestern und Königen. Was das bedeutet, wird erst im Himmel richtig offenbar werden.

 

Karsten Bürgner